Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...
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Nach zwei Atelierveranstaltungen zu diesem Thema bildete sich e<strong>in</strong> zunächst<br />
kle<strong>in</strong>er Kreis von Interessierten, die sich mit dem Thema „Jakobsweg“ beschäftigen.<br />
In den Sommern 1996, 1997 <strong>und</strong> 1998 hat sich mittlerweile jeweils e<strong>in</strong>e<br />
Gruppe von knapp 20 PilgerInnen, die von je drei MitarbeiterInnen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik<br />
begleitet wurde, zunächst von Köln nach Trier, dann von Trier nach Toul (Frankreich)<br />
<strong>und</strong> schließlich von Toul nach Dijon auf den Weg begeben. Die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Wegstrecken, die zu Fuß zurückgelegt wurden, betrugen gut 20 km pro Tag; die<br />
Pilgerreisen <strong>in</strong>sgesamt je 12 Tage. Die Pilgergruppe setzte sich im wesentlichen<br />
aus aktuellen <strong>stationären</strong> Patienten im St.Marien-Hospital Eickel zusammen,<br />
darüber h<strong>in</strong>aus aber auch aus tageskl<strong>in</strong>isch <strong>und</strong> ambulant betreuten.<br />
Im 14tägigen Rhythmus wurden im Verlaufe <strong>der</strong> Jahre zwischen den Etappen<br />
<strong>der</strong> Pilgerwan<strong>der</strong>ung Planungsarbeiten (z.B. Übernachtungsplanungen, Wegstreckenbestimmungen,<br />
kulturelle Sehenswürdigkeiten etc.), aber auch „Probewan<strong>der</strong>ungen“<br />
auf regionalen Teilstrecken des Jakobus-Weges sowie Exkursionen<br />
zu Wallfahrtsorten vorgenommen. Das Projekt zeichnete sich dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
dadurch aus, daß sämtliche Planungsarbeiten <strong>und</strong> Gestaltungsvorschläge<br />
<strong>in</strong> eigener Regie <strong>der</strong> Gruppe vorgenommen wurden.<br />
In Abweichung zu den bisher beschriebenen vier an<strong>der</strong>en <strong>in</strong>stitutionellen Bauste<strong>in</strong>en<br />
weist das Jakobus-Projekt e<strong>in</strong>e sensible <strong>und</strong> potentielle Problemzone<br />
auf: Der noch weitergehende Verzicht auf <strong>in</strong>stitutionelle Macht erfor<strong>der</strong>t bei den<br />
professionellen BegleiterInnen des Projektes Rollenmuster jenseits <strong>der</strong> vorgegebenen,<br />
um weiterh<strong>in</strong> therapeutischen, aber auch den erfor<strong>der</strong>lichen persönlichen<br />
Respekt zu gew<strong>in</strong>nen, damit die Gruppenprozesse auch während <strong>der</strong> 12tägigen<br />
Pilgerwan<strong>der</strong>ung geordnet ablaufen können. Dies ist unbed<strong>in</strong>gt erfor<strong>der</strong>lich,<br />
da ansonsten <strong>in</strong> auch diesen heterogen zusammengesetzten Gruppen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
akut erkrankte Personen Schaden nehmen könnten.<br />
Die <strong>in</strong>stitutionell vorgegebene <strong>und</strong> – wenn auch bereits reduziert – machtbesetzte<br />
Rolle <strong>der</strong> professionellen HelferInnen muß durch eigene, für das Gruppengeschehen<br />
relevante Kompetenzen ergänzt werden, die wesentlich auf die<br />
eigene Persönlichkeit rekurrieren. Dabei stehen sicherlich Eigenschaften wie<br />
„Sicherheit vermitteln“, „Erkennen <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>n von Gruppendynamiken“, „eigene<br />
Begeisterung für das Jakobus-Projekt” <strong>und</strong> “flexibles, standhaftes Auftreten“<br />
an vor<strong>der</strong>ster Stelle. Wie e<strong>in</strong> <strong>der</strong>artig abweichendes Professionsbild zu fassen<br />
ist, wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ausführlicheren Auswertung des Projektes beschrieben<br />
(vgl. KRISOR, PFANNKUCH 1999).<br />
Unter gewaltpräventivem Aspekt ist beson<strong>der</strong>s das völlig verän<strong>der</strong>te Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
von professionellen HelferInnen <strong>und</strong> PatientInnen zu sehen, das durch wechselseitiges<br />
Kooperieren <strong>und</strong> Betonen von Fertigkeiten des e<strong>in</strong>zelnen (z.B. Kompaß<br />
lesen, Wan<strong>der</strong>erfahrung, Sprachkenntnisse, kulturelles Wissen) bestimmt<br />
ist. In diesem Klima kam es bisher zu ke<strong>in</strong>en aggressiven Äußerungsformen -<br />
<strong>und</strong> dies, obwohl auch akut erkrankte Menschen an diesem Angebot teilnehmen.<br />
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