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Bericht der Bundesregierung 2012 - netzwerkB

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207 – Drucksache 17/10500Andreas Voßkuhle weiter, ist „nicht völlig neu, dennRechtsfortbildung und Rechtspolitik besaßen ebenso wiedie Rechtsvergleichung immer schon einen wichtigenStellenwert innerhalb <strong>der</strong> Rechtswissenschaft.“ 74Gerade bei sozialpolitisch drängenden Fragestellungenwie <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Frauenhäuser und an<strong>der</strong>erUnterstützungsangebote, die über parteipolitische Grenzenhinweg als hochproblematisch wahrgenommen werden,75 ist es wichtig, die Aufgabe, Alternativen zum nichtals problemadäquat wahrgenommenen geltenden Rechtzu formulieren, als zentrale Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechtswissenschafternst zu nehmen. Dass (Rechts-)Wissenschafthierbei nur Anregungen geben und Vorschläge unterbreitenkann, über <strong>der</strong>en Nützlichkeit letztlich alleindie politisch Verantwortlichen entscheiden müssen, verstehtsich im demokratischen Gemeinwesen des Grundgesetzesvon selbst.II.Zur Methode des Gutachtens,insbeson<strong>der</strong>e zur „rechtsrealistischen“Methode <strong>der</strong> sozialrechtlichenProblemanalyseWährend <strong>der</strong> verfassungsrechtliche Teil des Gutachtens(Teil 3) „rechtsdogmatisch“ angelegt ist, also im Wege<strong>der</strong> textorientierten Verfassungsauslegung (Verfassungskonkretisierung)den Bedeutungsgehalt insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>relevanten Vorschriften des Grundgesetzes (GG) erarbeitet,folgt die Defizitanalyse (Teil 2) einer „rechtsrealistischen“Methode. Entsprechend dem konzeptionellen Ansatz(oben I.), werden die rechtlichen Gesichtspunkte, diein <strong>der</strong> Praxis den Zugang zu den Frauenhäusern und denan<strong>der</strong>en Unterstützungsangeboten erschweren, benannt,und zwar unter Auswertung <strong>der</strong> Daten, die die sozialwissenschaftlich-empirischeBestandsaufnahme, dem Hauptteil<strong>der</strong> Gesamtstudie, erbracht hat. Hinzu kommen weitereDaten aus unterschiedlichen quantitativen und qualitativenempirischen Quellen, die die Daten <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichenStudie ergänzen und somit ebenfalls dazubeitragen können, Zugangsprobleme zu erkennen.74 Voßkuhle, Europa als Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion – einethematische Annäherung in 12 Thesen, in: Franzius/Mayer/Neyer(Hrsg.), Strukturfragen <strong>der</strong> Europäischen Union, 2010, S. 37 (44).75 Noll, BT-Plenarprotokoll 16/172 von 26.6.2008, S. 18325 (D) sprichtmit Blick auf „die sichere Finanzierung von Frauenhäusern“ von „eine[r]unserer Baustellen“ und bezieht sich hierbei auf im zuständigenAusschuss parteiübergreifend („auf <strong>Bericht</strong>erstatterebene“) unternommeneVersuche, „eine Lösung für dieses Problem zu finden“.Dazu <strong>der</strong> Beschluss (BT-Plenarprotokoll 16/172, S. 18332 [A]) zumAntrag BT-Drucks. 16/6429 vom 19.9.2007 („Häusliche Gewalt gegenFrauen konsequent weiter bekämpfen“) mit BeschlussempfehlungBT-Drucks. 16/9367 vom 29.5.2008.76 Zum Rechtsrealismus (legal realism) als wichtigem theoretischenAnsatz gegenwärtiger Rechtssoziologie Baer, InterdisziplinäreRechtsforschung. Was uns bewegt, in: Grundmann u. a. (Hrsg.), Festschrift200 Jahre Juristische Fakultät <strong>der</strong> Humboldt-Universität zuBerlin, 2010, S. 917 (924).Die Methode ist „rechtsrealistisch“, weil sie sich bemüht,die Steuerungskraft und -schwäche von Rechtsnormen imKontext ihrer Bezüge zur relevanten Wirklichkeit zu benennen.76 Gerade für die Sozialrechtsnormen, die sich aufgewaltbetroffene Frauen beziehen, wird kritisch vermerkt,sie gingen vielfach „an <strong>der</strong> Realität“ 77 vorbei.Umso mehr muss sich eine rechtswissenschaftliche Betrachtungbemühen, gerade nicht an <strong>der</strong> Realität vorbei zuargumentieren, son<strong>der</strong>n die Realität als Anfrage an diePlausibilität des geltenden Rechts und als Impuls seinerReform ernst zu nehmen.Bei diesem Vorgehen handelt es sich im strengen Sinnenicht um Rechtswirkungsforschung, Gesetzesfolgenabschätzungbzw. empirische Rechtssoziologie, weil <strong>der</strong> sozialwissenschaftlicheund <strong>der</strong> rechtswissenschaftlicheTeil <strong>der</strong> Gesamtstudie je für sich autonom argumentieren,aber interdisziplinär aufeinan<strong>der</strong> bezogen sind. Bei denfür die Bestandsaufnahme erzielten sozialwissenschaftlichenDaten handelt es sich um eine qualifizierte Annäherungan die Wirklichkeit, die über Tendenzen Auskunftgibt, die den Bereich <strong>der</strong> isolierten Einzelfallbeobachtungund damit den Bereich des bloß Anekdotischen verlässlichüberschreiten. Soweit ersichtlich, sind die Daten <strong>der</strong>sozialwissenschaftlichen Bestandsaufnahme 78 die erstendieser Qualität, was die (sozial-)rechtliche Defizitanalysebeson<strong>der</strong>s aussagekräftig macht. 79 Denn generell gilt:„Politische Argumentation muss auf empirisch abgesichertenFakten basieren, sonst ist sie bloße Ideologie.“ 80Teil 2: Problemanalyse des geltenden Rechts,insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> sozial- und finanzierungsrechtlichenSituationA. Grundunterscheidungen und Grundbegriffe<strong>der</strong> ProblemanalyseI. „Zugang“ zu sozialen Dienstleistungenals Thema <strong>der</strong> internationalen Debatteüber soziale RechteDie Problemanalyse bezieht sich auf den Zugang zu densozialen Dienstleistungen, die durch Frauenhäuser sowiean<strong>der</strong>e Unterstützungsangebote erbracht werden. „Zugang“bezeichnet die effektive Chance, bestimmte sozialeDienstleistungen zu nutzen. Soziale Dienstleistungen sindMaßnahmen <strong>der</strong> Hilfe (lebenspraktische Unterstützung,77 Sellach, Monitoring zu den Wirkungen von SGB II auf Frauenhausbewohnerinnenund Frauenhäuser, in: Klute/Kotlenga (Hrsg.), Sozial-und Arbeitsmarktpolitik nach Hartz. Fünf Jahre Hartzreformen:Bestandsaufnahme – Analysen – Perspektiven, 2008, S. 74 (98) – zitiertwird hier die Äußerung einer Frauenhausmitarbeiterin zum SGB II.78 Helfferich/Kavemann/Rinen, Bestandsaufnahme zur Situation <strong>der</strong>Frauenhäuser, <strong>der</strong> Fachberatungsstellen und an<strong>der</strong>er Unterstützungsangebotefür gewaltbetroffene Frauen und <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>, Berlin/Freiburg/Bayreuth,<strong>2012</strong>, Teil I; im Folgenden: „SozialwissenschaftlichesGutachten“.79 Die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz (GFMK) betont,dass eine „gesicherte Datenlage eine sachlich begründete und zielorientierteChancengleichstellungspolitik erheblich unterstützenkann“, BMFSFJ (Hrsg.), Atlas zur Gleichstellung von Frauen undMännern in Deutschland, 3. Aufl., Berlin 2010, S. 4. – Das gilt inentsprechen<strong>der</strong> Weise auch für politische Maßnahmen zur Bekämpfung<strong>der</strong> Gewalt gegen Frauen.80 Kavemann, „Was nehmen wir mit?“, Strategieskizzen, Praxisrückmeldungen,Forschungsbedarf, Resümee des 8. Frauenhausfachforums2011, S. 2, abrufbar auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Frauenhauskoordinierung,http://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/pdfs/Fachforen/8.Fachforum_2011/Kavemann_Was_nehmen_wir_mit.pdf (abgerufen am 30.1.<strong>2012</strong>).

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