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Bericht der Bundesregierung 2012 - netzwerkB

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Drucksache 17/10500 – 222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiodedann ist jeweils „vor Ort“ zu prüfen, ob nicht eine „weichere“Form <strong>der</strong> Verbindlichkeit genutzt werden kann,nämlich abgesprochene (ggf. nicht – zumindest nicht offiziell– verschriftlichte) Verfahrensweisen, die verlässlichgelebt werden und im Einzelfall Modifikationen ermöglichen.213ff)Psychosoziale Beratung, insbeson<strong>der</strong>eBezüge zu §§ 67 ff. SGB XII(1) ProblemDa es in den einschlägigen Sozialleistungsgesetzen keineRegelungen gibt, die die von Frauenhäusern und an<strong>der</strong>enSchutzeinrichtungen angebotenen Leistungen klar undabschließend definieren würden, muss das Leistungsangebotden allgemeinen Vorschriften insbeson<strong>der</strong>e desSGB II o<strong>der</strong> des SGB XII zugeordnet – in diesem Sinne:passend „gemacht“ – werden.Wie die empirische Bestandsaufnahme zeigt, 214 fällt– jenseits eines Kernbereichs von Angeboten, zu deneninsbeson<strong>der</strong>e die psychosoziale Beratung gehört – dasAngebotsprofil je nach Frauenhaus bzw. an<strong>der</strong>em Unterstützungsangebotfür gewaltbetroffene Frauen sehr unterschiedlichaus. Fehlt es an einer zuwendungsrechtlichenFinanzierung, die die Angebotsstruktur genauer festlegt,215 dann stellt sich die Schwierigkeit, die betreuenden,psychosozial unterstützenden Angebote des Frauenhausesals „kommunale Einglie<strong>der</strong>ungsleistung“ gemäߧ 16a SGB II auszuweisen, denn eine solche Leistung istauch die psychosoziale Betreuung (§ 16a S. 2 Nr. 3SGB II). „Psychosoziale Betreuung“ ist weit auszulegen;gemeint sind alle Maßnahmen, die <strong>der</strong> psychischen undsozialen Stabilisierung eines bzw. einer Betroffenen zudienen bestimmt sind. 216 Diese Leistungen müssen, wieschon die Gesetzesbegründung klargestellt hat, 217 „zumindestauch dazu dienen, die Einglie<strong>der</strong>ung des Betroffenenin das Erwerbsleben zu för<strong>der</strong>n“. 218213 Zu solchen ausgehandelten Verfahrensweisen Frauenhauskoordinierung,Rechtsinformation – Frauen in Frauenhäusern mit Anspruchauf ALG II nach dem SGB II, Eigenverlag, Berlin, Stand: Mai 2011,S. 20.214 Sozialwissenschaftliches Gutachten, B 3.1.1.215 Vgl. dazu unten Teil 2, B. III. 1. b) bb) am Ende.216 Breitkreuz, in: Löns/Herold-Tews (Hrsg.), SGB II, Kommentar,3. Aufl. 2011, § 16a Rn. 7.217 Amtl. Begr. zu § 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB a. F. (= § 16a S. 2 Nr. 3SGB II), BT-Drucks. 15/1516 vom 5.9.2003, S. 54: „ergänzende Unterstützung<strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung“.218 Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom23.2.2010 – L 1 AS 36/09 –, juris, Rn. 27.219 Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom23.2.2010 – L 1 AS 36/09 –, juris, Rn. 28.Dies ist bei Frauenhäusern typischerweise <strong>der</strong> Fall, weil„die psychische, soziale und rechtliche Stabilisierung unabdingbareVoraussetzung dafür ist, dass an eine Einglie<strong>der</strong>ungin das Erwerbsleben gedacht werden kann.“ 219Aufgrund dieses generellen Charakters des Frauenhausesmüssen auch nicht bezogen auf eine einzelne Frau konkreteLeistungen benannt werden, die im Einzelfall indizieren,dass sie zumindest auch zur Einglie<strong>der</strong>ung in dasErwerbsleben beitragen. 220Allerdings ist zu bedenken, dass nicht alle Frauen, die imFrauenhaus Schutz gesucht haben, arbeitsuchend sind.Sofern sie erwerbstätig sind, scheidet ein Anspruch aufpsychosoziale Beratung nach § 16a Nr. 3 SGB II aus, sofernsie zwar erwerbstätig sind, aber ergänzend Alg II beziehen(„Aufstockerinnen“), können sie wie<strong>der</strong>um psychosozialeBeratung nach dem SGB II beanspruchen.Das weite Verständnis von psychosozialer Beratung istnicht allgemein anerkannt. So wird in Leitfäden zur Anwendungdes § 16a Nr. 3 SGB II die Ansicht vertreten, esgehe bei <strong>der</strong> psychosozialen Betreuung nur um Menschen,<strong>der</strong>en psychische Struktur die Teilhabe am sozialenLeben erschwere o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>e. 221 Dieser Versucheiner „psychiatrisierenden“ Engführung wi<strong>der</strong>spricht zumeinen dem allgemeinen Sprachgebrauch in <strong>der</strong> Praxis sozialerDienstleistungen. 222 Psychologische Beratung undSozialberatung sind in ihrer Kombination als psychosozialeBetreuung bekannt, wobei <strong>der</strong> (Wie<strong>der</strong>-)Gewinnungalltagsbezogener Organisationskompetenzen und Bewältigungsstrategienbeson<strong>der</strong>e Bedeutung zukommt. Mit einerpsychologisch-therapeutischen o<strong>der</strong> gar einer medizinisch-psychiatrischenBetreuung ist dies gerade nichtverbunden (z. B. bieten die meisten Studierendenwerkefür Studierende eine solche psychosoziale Beratungan) 223 . Zum an<strong>der</strong>en wi<strong>der</strong>spricht eine „Psychiatrisierung“<strong>der</strong> Leistung (und damit indirekt <strong>der</strong>er, die die Leistungin Anspruch nehmen) <strong>der</strong> Regelungsabsicht des Gesetzgebers,<strong>der</strong> <strong>der</strong>gleichen nicht im Sinn hatte. 224Hinzu kommen allerdings noch Abgrenzungsprobleme zuden „Hilfen zur Überwindung beson<strong>der</strong>er sozialerSchwierigkeiten“ nach den §§ 67 ff. SGB XII. Sollte einFrauenhaus o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es Unterstützungsangebot Leistungenanbieten, die nicht im entferntesten Sinne mittelbar<strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung in den Arbeitsmarkt dienen, dannwürden Leistungen nach § 16a S. 2 Nr. 3 SGB II ausscheiden.Die Leistungen könnten dann ggf. gemäß §§ 67 ff.SGB XII erbracht werden; die Anwendung <strong>der</strong> §§ 67 ff.SGB XII ist auch für Frauen möglich, die ansonsten SGB II-Leistungen beziehen (vgl. § 5 Abs. 2 SGB II). 225220 Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom23.2.2010 – L 1 AS 36/09 –, juris, Rn. 28. – Das Gericht hält es mitBlick auf die „beson<strong>der</strong>e Vertrauensstellung zwischen <strong>der</strong> Frau und<strong>der</strong> Betreuerin“ im Frauenhaus sowie mit Blick auf „den Datenschutzim Frauenhaus“ „kaum“ für möglich, dass „<strong>der</strong>artige Feststellungen[…] getroffen werden können.“221 Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom23.2.2010 – L 1 AS 36/09 –, juris, Rn. 27, weist auf eine Arbeitshilfezu § 16a SGB II des früheren Ministeriums für Arbeit, Gesundheitund Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hin.222 Hierzu im Überblick Gahleitner, Psychosoziale Beratung, in: DeutscherVerein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.), Fachlexikon<strong>der</strong> sozialen Arbeit, 7. Aufl. 2011, S. 681 (682).223 Beispielhaft § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Studentenwerksgesetz (StuWG)Sachsen-Anhalt: „psychosoziale Beratung“.224 Vgl. die Begründung zu § 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB II a. F (= § 16aS. 2 Nr. 3 SGB II), BT-Drucks. 15/1516 vom 5.9.2003, S. 54.225 Eicher, in: Eicher/Spellbrink (Hrsg.), SGB II, Kommentar, 2. Aufl.2008, § 16 Rn. 185.

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