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Bericht der Bundesregierung 2012 - netzwerkB

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225 – Drucksache 17/10500„Arbeitsstelle in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Wohnung/des Arbeitsplatzesdes Ehemannes, wenn die Frau wegen Gewalterfahrungin <strong>der</strong> Ehe zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Unterbreitung desStellenangebotes im Frauenhaus o<strong>der</strong> bei Freunden, Verwandteno<strong>der</strong> Bekannten Zuflucht gesucht hat. Eine Gefährdung<strong>der</strong> Frau und damit seelische Probleme könnenauch entstehen, wenn diese Arbeitsstelle öffentlich zugänglicho<strong>der</strong> die Lage und Verteilung <strong>der</strong> Arbeitszeitsehr ungünstig sind (Einzelfallentscheidung)“. 239(2) ReformoptionenDen gewaltbetroffenen Frauen würde eine gesetzlicheRegelung gerecht, die – etwa in § 10 Abs. 1 Nr. 1 (o<strong>der</strong>einer neuen Nr. 6) SGB II – klarstellen würde, dass währenddes Aufenthalts in einem Frauenhaus, ggf. begrenztauf einen bestimmten Zeitraum, die Arbeitsaufnahmeo<strong>der</strong> die Teilnahme an einer Maßnahme <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungunzumutbar ist. Eine solche Regelung würde überdie bisherigen fachlichen Hinweise <strong>der</strong> BA hinausgehen.Allerdings dürfte eine solche Regelung nicht ausschließen,dass Frauen, die sich selbst eine solche Arbeit bzw.Maßnahme schon zumuten wollen (etwa um zügig einenNeuanfang im Arbeitsleben einzuleiten), dies auch dürfen.Das würde eher dafür sprechen, die allgemeine Regeldes „sonstigen wichtigen Grundes“ (§ 10 Abs. 1 Nr. 5SGB II) heranzuziehen und <strong>der</strong>en Handhabung im Interessegewaltbetroffener Frauen durch Verwaltungsvorschriftenzu steuern.Eine auf Frauenhäuser bezogene ausdrückliche Ergänzungdes § 10 Abs. 1 SGB II wäre ebenfalls durch Verwaltungsvorschriftenzu konkretisieren. Diese Verwaltungsvorschriftenkönnten auch vorsehen, dass in denEinglie<strong>der</strong>ungsvereinbarungen (§ 15 SGB II) mit gewaltbetroffenenFrauen <strong>der</strong>en Lage (etwa wie schnell eine Arbeitaufzunehmen ist) hinreichend Rechnung zu tragenist. 240 Diese Verwaltungsvorschriften einschließlich desMusters einer solchen auf gewaltbetroffene Frauen bezogenenEinglie<strong>der</strong>ungsvereinbarung könnte durch strukturierteKooperationen „vor Ort“ 241 abgestimmt o<strong>der</strong> dochzumindest als Empfehlung beachtet werden.hh)Kin<strong>der</strong>(1) ProblemZusammen mit den Frauen sind auch Kin<strong>der</strong> von Gewaltbetroffen, für die die Frau Erziehungsverantwortung239 Fachliche Hinweise zu § 10 SGB II, Nr. 2.1 Unzumutbarkeit aus körperlichen,geistigen und seelischen Gründen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1),„Beispiele für körperliche, geistige und seelische Gründe (10.08)“,zit. nach Brühl/Hofmann (Hrsg.), Durchführungshinweise <strong>der</strong> Bundesagenturfür Arbeit für die Anwendung des Sozialgesetzbuch II(SGB II), Ausgabe 2/2011; auch abrufbar auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> BA,http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A015-Oeffentlichkeitsarbeit/Publikation/pdf/Gesetzestext-10-SGB-II-Zumutbarkeit.pdf (abgerufen am 30.1.<strong>2012</strong>).240 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Empfehlungenzu Hilfeleistungen an von häuslicher Gewalt betroffene Frauenund ihre Kin<strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e im Rechtskreis des SGB II, Nachrichtendienstdes Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge(NDV) 2008, S. 365 (371).241 Dazu unten Teil 2, B. III. 3.trägt. Die empirische Bestandsaufnahme zeigt, 242 dassalle Frauenhäuser Frauen mit ihren (jüngeren) Kin<strong>der</strong>naufnehmen. Während die Kosten <strong>der</strong> Unterkunft (KdU)im Falle <strong>der</strong> Gewährung von Alg II auch für die Kin<strong>der</strong>gedeckt sind, stellt sich hier in erster Linie die Frage, wiedie Kosten <strong>der</strong> psychosozialen Unterstützung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>gedeckt werden.Gesetzliche Regelungen – sei es im SGB II, SGB XII o<strong>der</strong>im AsylbLG, sei es im Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilferecht(SGB VIII) –, die ausdrücklich auf die damit einhergehendeProblematik eingehen, fehlen bislang. Das führt in<strong>der</strong> Folge, was schon lange moniert wird, zu „Schwachstellen[…] in <strong>der</strong> mangelnden Kostenbeteiligung <strong>der</strong> Jugendhilfeträger“243 . Die Frage, ob bzw. inwieweit das SGB VIII– häufig auch KJHG (Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz) genannt– 244 auf die Unterbringung von Kin<strong>der</strong>n gewaltbetroffenerFrauen Anwendung findet, ist mithin nicht neu.Erwogen wird etwa die Anwendung <strong>der</strong> Vorschriften überdie sog. Hilfen zur Erziehung (sog. HzE, §§ 27 ff. SGBVIII), die sog. Einglie<strong>der</strong>ungshilfe für seelisch behin<strong>der</strong>teKin<strong>der</strong> und Jugendliche (§ 35a SGB VIII) o<strong>der</strong> die Hilfefür junge Volljährige (§ 41 SGB VIII). 245Allerdings wird nicht jede psychologische Beeinträchtigungvon Kin<strong>der</strong>n, die sich in einem gewalttätigen Klimabefunden haben, bevor sie mit ihrer Mutter Zuflucht imFrauenhaus gefunden haben, zu einer seelischen Behin<strong>der</strong>ungführen. Näher liegt ein objektiver durch die Situationbedingter erzieherischer Bedarf im Sinne des § 27Abs. 1 SGB VIII, 246 den die gewaltbetroffene Frau jedenfallszunächst einmal nicht ohne Unterstützung wirdbewältigen können. Allerdings sind die begrifflichen Abgrenzungensehr unscharf. 247 Dass anstelle <strong>der</strong> Formulierung„erzieherischer Bedarf“ auch von „Erziehungsdefiziten“gesprochen wird, klingt missverständlich, weil <strong>der</strong>Eindruck entstehen könnte, als seien die Frauen für dieseDefizite (mit)verantwortlich; gemeint ist allerdings nureine Umschreibung für eine objektive Lage, die den Erziehungsprozess<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mehr als üblich beeinträchtigtund nur insofern Defizite aufweist.242 Sozialwissenschaftliches Gutachten, B 3.1.7.243 Männle, BT-Plenarprotokoll 10/40 vom 1.12.1983, S. 2808 (D).244 Das ist verbreitet, aber irreführend, denn nur das sog. Artikelgesetz,dessen Art. 1 das SGB VIII beinhaltet, wurde als Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz(KJHG) bezeichnet, das KJHG umfasst also mehrVorschriften als die im SGB VIII genannten, vgl. Gesetz zur Neuordnungdes Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilferechts (Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz– KJHG) vom 26.6.1990, BGBl. I S. 1163.245 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Empfehlungenzu Hilfeleistungen an von häuslicher Gewalt betroffene Frauenund ihre Kin<strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e im Rechtskreis des SGB II, Nachrichtendienstdes Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge(NDV) 2008, S. 365 (368).246 Tammen/Trenczek, in: Mün<strong>der</strong>/Meysen/Trenczek (Hrsg.), FrankfurterKommentar SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 27 Rn. 5 ff. zum erzieherischenBedarf; zum Erziehungsdefizit auch Kunkel, in: Kunkel(Hrsg.), SGB VIII – Lehr- und Praxiskommentar (LPK-SGB VIII),4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 2; eingehend Schmid-Obkirchner, in: Wiesner(Hrsg.), SGB VIII, Kommentar, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 17 ff.247 Vgl. mit Blick auf Abgrenzungsprobleme bei Mehrfachbehin<strong>der</strong>ungenGreß/Rixen/Wasem, Einglie<strong>der</strong>ungshilfe für seelisch behin<strong>der</strong>teKin<strong>der</strong> und Jugendliche: Abgrenzungsprobleme und Reformszenarien,Vierteljahresschrift für Sozialrecht (VSSR) 2009, S. 43–60,hier: S. 50 f.

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