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Bericht der Bundesregierung 2012 - netzwerkB

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209 – Drucksache 17/10500B. Zugangshin<strong>der</strong>nisse im geltenden RechtI. Zugangshin<strong>der</strong>nisse im Leistungsrecht(Probleme bei <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong>Leistungsansprüche)1. Ausgangssituation: Zwischen Arbeitsmarktintegrationund Mischfinanzierunga) Perspektive <strong>der</strong> Arbeitsmarktintegration,nicht <strong>der</strong> GewaltpräventionEin eigenes Gesetz, das betroffenen Frauen Ansprücheauf Gewährung von Schutz und Unterstützung in Frauenhäuserngarantieren würde, existiert we<strong>der</strong> auf Bundesnochauf Landesebene. Dies führt in aller Regel dazu,dass Sozialgesetze, die nicht speziell für die Situation vongewaltbetroffenen Frauen geschaffen wurden, Anwendungfinden, soweit dort individuelle Ansprüche auf Hilfeund Unterstützung geregelt sind. Diese Gesetze sind vorallem das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II –Grundsicherung für Arbeitsuchende), das SozialgesetzbuchZwölftes Buch (SGB XII – Sozialhilfe) und dasAsylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). 88 „Der überwiegendeTeil <strong>der</strong> betroffenen Frauen und <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>,die in ein Frauenhaus o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Schutzeinrichtungfliehen, sind nach dem SGB II leistungsberechtigt.“ 89Dies betont auch <strong>der</strong> Gesetzgeber des SGB II: Die „weitüberwiegende Zahl <strong>der</strong> Frauenhausbewohnerinnen könnenLeistungen nach dem SGB II erhalten.“ 9088 Die aktuellen Fassungen dieser und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en im Folgenden genanntenBundesgesetze können auf dem vom Bundesministerium <strong>der</strong>Justiz sowie <strong>der</strong> Rechtsdatenbank „juris“ gemeinsam betriebenenPortal www.gesetze-im-internet.de eingesehen werden.89 Sozialdienst Katholischer Frauen Gesamtverein e.V., Korrespondenzblatt2010/1, S. 46, http://www.skf-zentrale.de/2010_1_KorrBlatt.pdf (abgerufen am 30.1.<strong>2012</strong>).90 Amtl. Begr. zu § 36a SGB II in <strong>der</strong> Fassung des Gesetzes vom14.8.2005 (BGBl. I S. 2407), BT-Drucks. 15/5607 vom 1.6.2005, S. 6. –Im Original steht tatsächlich „können“, obgleich grammatikalisch (wegendes Bezugs zur „überwiegende[n] Zahl“) „kann“ richtig wäre.91 Brzank, (Häusliche) Gewalt gegen Frauen: sozioökonomische Folgenund gesellschaftliche Kosten – Einführung und Überblick, Bundesgesundheitsblatt2009, S. 330.92 Das fügt sich in einen größeren Trend <strong>der</strong> Sozial(rechts)reform ein,<strong>der</strong> weniger von konkreten Zielgruppen und <strong>der</strong>en spezifischer Problem-und Lebenslage her denkt als von übergreifenden Lösungsansätzen,die von den relevanten Problem- und Lebenslagen konzeptionellweiter entfernt sind. Dies führt auch in an<strong>der</strong>en Bereichen zuSchwierigkeiten bei <strong>der</strong> bedarfsgerechten Unterstützung, z. B. beiSchwangeren o<strong>der</strong> Alleinerziehenden.93 Frauenhauskoordinierung e.V./Zentrale Informationsstelle AutonomerFrauenhäuser, Schutz von Frauen und Kin<strong>der</strong>n vor Gewalt darf nichtan den Kosten scheitern! Argumente und Positionen zur Ablehnung <strong>der</strong>Tagessatzfinanzierung von Frauenhäusern, Februar 2007, S. 2 (Nr. 1).Nach ihrem Selbstverständnis interessieren sich diese Gesetzenicht speziell für das „komplexe Misshandlungssystem“91 <strong>der</strong> häuslichen Gewalt und die daraus resultierendenSchwierigkeiten, in die gewaltbetroffene Frauen undihre Kin<strong>der</strong> geraten. Die genannten Gesetze betreffenNotlagen allgemein bzw. unter einem speziellen Blickwinkel.92 So wird zu Recht angemerkt, dass aus Sicht desSGB II das Problem <strong>der</strong> Gewaltbetroffenheit in ein Problem<strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung in den Arbeitsmarkt umdefiniertwird, 93 denn das SGB II dient in erster Linie <strong>der</strong> „Einglie<strong>der</strong>ungin Arbeit“ 94 , wie auch die amtliche Bezeichnungdes Gesetzes – „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ –verdeutlicht. Die Grundsicherung (für Arbeitsuchende)setzt also bei den Frauen und <strong>der</strong> Finanzierung ihrer Lebensführungan, nicht bei <strong>der</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Frauenhäuser.Der materielle (finanzielle) und psychosoziale Hilfebedarfeiner gewaltbetroffenen Frau kann danach zwar einThema des SGB II sein, denn er kann auch durch häuslicheGewalt und einen deshalb erfor<strong>der</strong>lich werdendenAufenthalt in einem Frauenhaus ausgelöst werden. Dennocherscheint <strong>der</strong> Ansatz, diese existenzielle Notlage alsArbeitsmarktproblem anzugehen, wenig angemessen. GewaltbetroffeneFrauen suchen zunächst einmal keinen Arbeitsplatz,son<strong>der</strong>n Schutz vor Gewalt und Hilfe.Da die Gesetze nicht speziell auf den Hilfebedarf gewaltbetroffenerFrauen zugeschnitten sind, lässt sich <strong>der</strong>enUnterstützungsbedarf meist nicht reibungslos den gesetzlichenVoraussetzungen zuordnen, die erfüllt sein müssen,um finanzielle (materielle) und immaterielle (etwa beraterischebzw. psychosoziale) Unterstützung zu erhalten. Diein den genannten Gesetzen (etwa dem SGB II) gewährtenIndividualansprüche müssen also erst im Einzelfall aufdie konkrete Lage <strong>der</strong> Frauen abgestimmt werden. Dasgelingt häufig „nur mit einigem argumentativem Aufwand“.95b) Finanzierungsarten als Weichensteller<strong>der</strong> ProblemdefinitionAn<strong>der</strong>s kann die Lage aussehen, wenn die Hilfe in Frauenhäusernund weiteren Unterstützungsangeboten nichtals sog. Subjektför<strong>der</strong>ung, son<strong>der</strong>n als sog. Objektför<strong>der</strong>ungdurch Zuwendungen organisiert wird. 96 Die BegriffeSubjekt- und Objektför<strong>der</strong>ung haben sich in <strong>der</strong> sozialpolitischenund sozialadministrativen Praxis eingebürgert;sie sind idealtypische Unterscheidungen, die in <strong>der</strong>Praxis vielfache Variationen im Detail sowie Übergängekennen. 97„Subjektför<strong>der</strong>ung“ meint, dass die Hilfe und die Finanzierunginsbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Frauenhäuser rechts- und verwaltungstechnischbei den betroffenen „Subjekten“, alsobei den gewaltbetroffenen Frauen ansetzen. Sofern diegewaltbetroffenen Frauen (zeitweilig) kein Geld haben,um den Aufenthalt insbeson<strong>der</strong>e im Frauenhaus zahlen zukönnen bzw. sich daran zu beteiligen, können bei finan-94 S. nur § 2 Abs. 1 S. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2, insb. § 14 S. 1 und § 16Abs. 1 S. 1 SGB II.95 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Diskussionspapierdes Deutschen Vereins zur Finanzierung von Frauenhäusernvom 15.7.2010 (DV 10/10 – AF III), S. 14, http://www.deutscherverein.de/05-empfehlungen/empfehlungen_archiv/2010/pdf/DV%2010-10.pdf (abgerufen am 30.1.<strong>2012</strong>). – Der „Deutsche Verein“(DV) ist eine Art „Dachverband <strong>der</strong> Dachverbände“; in ihm sind dieKommunen und ihre Spitzenverbände sowie die Verbände <strong>der</strong> freienWohlfahrtspflege organisiert, die im Bereich von Grundsicherung,Sozialhilfe und Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe tätig sind.96 Zu diesen Unterscheidungen im Überblick Bäcker u. a., Sozialpolitikund soziale Lage in Deutschland, Bd. 2, 4. Aufl. 2008, S. 556 (566).97 Dazu unten Teil 2, B. III.

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