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Bericht der Bundesregierung 2012 - netzwerkB

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Drucksache 17/10500 – 210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiodezieller Hilfebedürftigkeit Ansprüche insbeson<strong>der</strong>e nachdem SGB II bestehen. Nur wenn sie entsprechende Individualansprüchehaben und (Geld-)Leistungen erhalten,wird mittelbar aus <strong>der</strong> je<strong>der</strong> einzelnen Frau zugewiesenenGeldsumme auch <strong>der</strong> Aufenthalt im Frauenhaus finanzierbar,etwa wenn <strong>der</strong> ihr zustehende Anspruch aufÜbernahme <strong>der</strong> Wohnungskosten dazu dient, die Kosten<strong>der</strong> Unterkunft im Frauenhaus zu decken (vgl. § 22Abs. 1 S. 1 SGB II). 98Mit <strong>der</strong> Subjektför<strong>der</strong>ung ist in <strong>der</strong> Regel die sog. Tagessatzfinanzierungverbunden: Orientiert an <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong>Frauen, die das Frauenhaus an konkret zu benennendenTagen aufsuchen, wird das Frauenhaus durch „Tagessätze“finanziert („Pro-Kopf-Gel<strong>der</strong>“) 99 . Das bedeutet inerster Linie, dass die Unterkunftskosten, die wirtschaftlichdas Frauenhaus treffen, <strong>der</strong> betroffenen Frau häufignicht im Rahmen des ihr zustehenden SGB II-Anspruchsausgezahlt werden 100 , son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> zuständigen Behördeaus Gründen <strong>der</strong> Verwaltungsvereinfachung unmittelbaran das Frauenhaus ausgezahlt werden. 101 Die Perspektive<strong>der</strong> Individualansprüche schlägt also auf die Art<strong>der</strong> Finanzierung des Frauenhauses durch, was bei geringererBelegung des Frauenhauses zu einem geringerenFinanzierungsniveau führt. Gerade bezogen auf die dauerhaftanfallenden Kosten eines Frauenhauses macht dieseine verlässliche Kostenplanung tendenziell schwieriger.102Umgekehrt müsste ein Frauenhaus, das allein von <strong>der</strong> Tagessatzfinanzierungabhinge, darauf bedacht sein, dassdas Haus möglichst ausgelastet ist. Das hätte zur Folge(wie dies in einer Plenardebatte 1983 im Deutschen Bundestagin gewiss zugespitzter Form, aber sachlich nichtfalsch formuliert wurde), dass <strong>der</strong> „Betrieb nur gesichertist, wenn immer genügend und gleichbleibend vieleFrauen mißhandelt werden und im Frauenhaus Zufluchtsuchen: eine wahrlich absurde und an Zynismus grenzendeVoraussetzung.“ 103 Die Tagessatzfinanzierung lässtsich als „indirekte“ 104 Finanzierung bezeichnen, weil siebei den betroffenen Frauen ansetzt und, vermittelt überdiese, indirekt zur Finanzierung <strong>der</strong> Frauenhäuser führt.Schon hier ist zu betonen, dass in den meisten – abernicht allen – Bundeslän<strong>der</strong>n eine anteilige Finanzierungnach Tagessätzen erfolgt. 105An<strong>der</strong>s – nämlich direkt beim Frauenhaus – setzt die sog.Objektför<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> institutionellen bzw. <strong>der</strong>98 Dazu Frauenhauskoordinierung, Rechtsinformation – Frauen inFrauenhäusern mit Anspruch auf ALG II nach dem SGB II, Eigenverlag,Berlin, Stand: Mai 2011, S. 17 ff.99 Potthast, BT-Plenarprotokoll 10/40 vom 1.12.1983, S. 2810 (B).100 Siehe dazu exemplarisch die örtlichen Richtlinien <strong>der</strong> Städte bzw.Landkreise Krefeld, Gera, Ingolstadt, Erlangen-Höchstadt, Düsseldorf,Greiz, Anhang 1.101 Hierzu noch unten Teil 2, B. III.102 Dieses Problem ist politisch schon früh erkannt und diskutiert worden,s. nur den Än<strong>der</strong>ungsantrag, BT-Drucks. 10/2429 vom26.11.1984, S. 2.103 Potthast, BT-Plenarprotokoll 10/40 vom 1.12.1983, S. 2810 (B).104 So zutreffend z. B. <strong>der</strong> Entschließungsantrag, BT-Drucks. 10/6716vom 9.12.1986, S. 1.105 Dazu unten Teil 2, B. III.Projektför<strong>der</strong>ung an. 106 „Objektför<strong>der</strong>ung“ fokussiert dieobjektiven Rahmenbedingungen, also die Infrastrukturbzw. die Institution (o<strong>der</strong> das von dieser verfolgte „Projekt“),107 die <strong>der</strong> gewaltbetroffenen Frau Hilfe gewährt.Es wird also nicht danach gefragt, ob die gewaltbetroffeneFrau Individualansprüche nach SGB II, SGB XIIo<strong>der</strong> AsylbLG hat, son<strong>der</strong>n es genügt, dass sie sich nacheigener Auffassung sowie aus Sicht des Frauenhauses ineiner Situation befindet, zu <strong>der</strong> das Hilfsangebot desFrauenhauses passt. Die Klientin kann die Leistung ausihrer Sicht kostenfrei in Anspruch nehmen. 108Die gewaltbetroffene Frau wird bei <strong>der</strong> „Objektför<strong>der</strong>ung“von <strong>der</strong> schwierigen Aufgabe entlastet, Gesetzewie z. B. das SGB II, das gar nicht speziell auf Gewaltbetroffenheitzugeschnitten ist, auf ihre spezielle Situationanwenden zu müssen, denn die Hilfestruktur – in ersterLinie: das Frauenhaus – wird nicht über den Umweg <strong>der</strong>Individualansprüche <strong>der</strong> Frauen finanziert, son<strong>der</strong>n direkt,also unabhängig von <strong>der</strong> finanziellen Situation <strong>der</strong>Frau. Diese Art <strong>der</strong> Finanzierung erfolgt damit gleichsamhinter dem Rücken <strong>der</strong> Frau und hält ihr damit den Rückenfrei für all das Wichtigere, was mit <strong>der</strong> Flucht in einFrauenhaus ansteht. Die Objektför<strong>der</strong>ung entlastet auchdas Frauenhaus von den Unsicherheiten, die die „Umwegfinanzierung“über erst im Einzelfall zu klärende Individualansprüche<strong>der</strong> Frauen mit sich bringt.Im Rahmen <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Finanzierungsregelungenwird das Verhältnis von Subjekt- und Objektför<strong>der</strong>ungnoch vertieft dargestellt, wobei u. a. <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> „Objektför<strong>der</strong>ung“noch genauer zu betrachten ist und fernerdas Augenmerk auf die in <strong>der</strong> Praxis vorherrschendeMischfinanzierung zu richten sein wird, denn Objekt- undSubjektför<strong>der</strong>ung existieren praktisch nicht in Reinform,son<strong>der</strong>n nur in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen.109 Ferner muss man sich vor Augen führen, dass dieFrage, welche Art <strong>der</strong> Finanzierung sich empfiehlt, davonabhängt, wie auskömmlich die Mittel, die dem Frauen-106 Im Zuwendungsrecht werden Zuwendungen zur Deckung von Ausgabendes Zuwendungsempfängers für einzelne abgegrenzte Vorhaben(Projektför<strong>der</strong>ung) und Zuwendungen zur Deckung <strong>der</strong> gesamtenAusgaben o<strong>der</strong> eines nicht abgegrenzten Teils <strong>der</strong> Ausgaben desZuwendungsempfängers (institutionelle För<strong>der</strong>ung) unterschieden(vgl. zur Orientierung die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zurBundeshaushaltsordnung [VV-BHO] Nr. 2 zu § 23 BHO, abrufbarunter: http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_14032001_II.htm, abgerufen am 30.1.<strong>2012</strong>. Generell lässt sichein zunehmen<strong>der</strong> Trend zur Projektför<strong>der</strong>ung feststellen, weil ausSicht des Zuwendungsgebers aufgrund des begrenzten Vorhabens dieKontrolle des Zuwendungszwecks, also die Ausgabenkontrolle, tendenziellleichter fällt als bei <strong>der</strong> gegenständlich weniger stark begrenzteninstitutionellen För<strong>der</strong>ung. Letztlich geht es aber eher umNuancen, denn auch die institutionelle För<strong>der</strong>ung kann im Ergebniswie eine Projektför<strong>der</strong>ung ausfallen, indem die zuwendungsfähigenAusgaben strikt definiert werden. Allg. zum Unterschied zwischenProjekt- und institutioneller För<strong>der</strong>ung Rossi, in: Gröpl (Hrsg.), Bundeshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnung(BHO/LHO) – StaatlichesHaushaltsrecht, Kommentar, 2011, § 44 Rn. 31.107 „Projekt“ ist, wie in <strong>der</strong> vorherigen Fußn. dargelegt, im zuwendungsrechtlichenSinne zu verstehen.108 Vgl. Bäcker u. a., Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland,Bd. 2, 4. Aufl. 2008, S. 566.109 Siehe unten Teil 2, B. III.

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