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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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<strong>Die</strong> soziale Wohltat. 104<br />

Rest e<strong>in</strong>er bedeutenden Bibliothek <strong>von</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Büchern, welche e<strong>in</strong>st die Äbtiss<strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>ziska<br />

<strong>von</strong> Bernatre, e<strong>in</strong>e Réfugié, gesammelt hatte <strong>und</strong> die aus e<strong>in</strong>er reichen Auswahl <strong>der</strong> besten Sachen<br />

best<strong>an</strong>d. Mit Selbstständigkeit <strong>und</strong> Verständnis beteiligte sich fast je<strong>der</strong> <strong>an</strong> den Geme<strong>in</strong>desachen.<br />

<strong>Die</strong>s g<strong>in</strong>g nicht nur aus Liebe <strong>und</strong> Glauben hervor, son<strong>der</strong>n beruhte auch auf Bildung <strong>und</strong> Urteil.<br />

Als Menschen die um ihres Bekenntnisses willen ihre Heimat verließen <strong>und</strong> das Leben wagten, waren<br />

sie gesammelten S<strong>in</strong>nes, ernst <strong>und</strong> nüchtern. Besonnen <strong>und</strong> verständig f<strong>in</strong>gen sie ihre Unternehmungen<br />

<strong>an</strong>, mit e<strong>in</strong>er weisen Beschränkung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em knappen Maße, welches aus Kle<strong>in</strong>em<br />

Großes machte <strong>und</strong> unüberw<strong>in</strong>dliche H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse ebnete. „E<strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>zose k<strong>an</strong>n <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Frosche<br />

leben,“ sagte e<strong>in</strong> preußischer König. Noch am Anf<strong>an</strong>g dieses Jahrhun<strong>der</strong>ts besaß <strong>Halle</strong> e<strong>in</strong>ige fr<strong>an</strong>zösische<br />

Familien, welche <strong>in</strong> vollem S<strong>in</strong>ne als das bezeichnet werden konnten, was m<strong>an</strong> gewöhnlich<br />

„gute Familien“ nennt. Es herrschte <strong>in</strong> ihnen die Tradition e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>fachen sauberen Lebens, e<strong>in</strong>er<br />

gewissen gemessenen Würde, fester Lebensregeln <strong>und</strong> erhalten<strong>der</strong> Sparsamkeit.<br />

E<strong>in</strong> g<strong>an</strong>z neuer Menschenschlag zog mit den Fr<strong>an</strong>zosen <strong>in</strong> <strong>Halle</strong> e<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong> alten Bewohner unserer Stadt waren e<strong>in</strong> wildes hartes Geschlecht, sehr ergeben dem übermäßigen<br />

Gebrauch des Bieres <strong>und</strong> Br<strong>an</strong>ntwe<strong>in</strong>es. Alle Jahre wurde am 1. Tr<strong>in</strong>itatis <strong>von</strong> den K<strong>an</strong>zeln<br />

e<strong>in</strong> fürstliches Edikt verlesen wegen des „Vollsaufens, Nachtschwärmens <strong>und</strong> Br<strong>an</strong>ntwe<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>kens,“<br />

es fehlte nicht <strong>an</strong> wie<strong>der</strong>holentlichen Todesfällen solcher die sich auf „den Bierkellern totgesoffen.“<br />

Ernste Verbote erg<strong>in</strong>gen auch gegen die „Klei<strong>der</strong>hoffart,“ die beson<strong>der</strong>s <strong>an</strong> den Hochzeiten <strong>in</strong> dem<br />

verschwen<strong>der</strong>ischsten Prunke sich zeigte. Der Krieg <strong>und</strong> die Pest hatten das hallesche Volk lebensmüde,<br />

darum aber auch roh, verbrecherisch <strong>und</strong> wüst gemacht. M<strong>an</strong> schwelgte <strong>in</strong> Luxus, besaß m<strong>an</strong><br />

noch etwas; m<strong>an</strong> schwelgte <strong>in</strong> Laster <strong>und</strong> Wildheit, hatte m<strong>an</strong> nichts <strong>und</strong> begehrte doch etwas zu haben.<br />

In <strong>der</strong> Gerichtspflege, <strong>in</strong> öffentlichen Sk<strong>an</strong>dalen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polemik <strong>der</strong> Geistlichkeit tritt e<strong>in</strong> starkes<br />

Maß ungebrochener Rohheit uns entgegen, welche nur vor e<strong>in</strong>em mächtigen Aberglauben sich<br />

beugte. <strong>Die</strong> kirchlichen Zustände <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorstadt <strong>Halle</strong>s, <strong>in</strong> Glaucha, über die Fr<strong>an</strong>cke klagte, werden<br />

<strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Stadt gewiß ke<strong>in</strong>e besseren Gegenbil<strong>der</strong> gehabt haben. Es liegen <strong>der</strong> Gründe genug<br />

vor, daß es <strong>in</strong> diesen g<strong>an</strong>z ähnlich aussah, <strong>und</strong> es war das dadurch bestrafte Gewissen e<strong>in</strong>es Domprediger<br />

Schra<strong>der</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es Magister Roth, <strong>der</strong> Gegner Fr<strong>an</strong>ckes, welches sie zu ihrer Polemik gegen<br />

den Waisenhausgrün<strong>der</strong> <strong>an</strong>trieb. „<strong>Die</strong> Fr<strong>an</strong>zosen entfernt <strong>von</strong> jedem Luxus kleideten sich <strong>in</strong><br />

re<strong>in</strong>licher E<strong>in</strong>fachheit. Ihre heitere Munterkeit ergötzte sich bei mäßigem Mahle <strong>in</strong> <strong>an</strong>genehmen Gesprächen<br />

<strong>und</strong> ergoß sich zuweilen <strong>in</strong> frohe Lie<strong>der</strong>. Aber steife Schmausereien <strong>und</strong> wilde Tr<strong>in</strong>kgelage<br />

blieben ihnen fremd.“<br />

„Derowegen so sei es,“ ermahnt daher <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> halleschen Universität Thomas se<strong>in</strong>e<br />

Zeitgenossen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Flugschrift: „Welcher Gestalt m<strong>an</strong> denen Fr<strong>an</strong>zosen im geme<strong>in</strong>en Leben <strong>und</strong><br />

W<strong>an</strong>del nachahmen solle – m<strong>an</strong> ahme denen Fr<strong>an</strong>zosen nach, denn sie s<strong>in</strong>d doch heutzutage die geschicktesten<br />

Leute <strong>und</strong> wissen allen Sachen e<strong>in</strong> recht Leben zu geben. Sie verfertigen die Klei<strong>der</strong><br />

wohl <strong>und</strong> bequem <strong>und</strong> ers<strong>in</strong>nen solche artige Moden, die nicht nur das Auge belustigen, son<strong>der</strong>n mit<br />

<strong>der</strong> Jahreszeit wohl übere<strong>in</strong>kommen. Sie wissen die Speisen so gut zu präparieren, daß sowohl <strong>der</strong><br />

Geschmack als <strong>der</strong> Magen vergnüget wird. Ihr Hausrat ist re<strong>in</strong>lich <strong>und</strong> propre, ihre Sprache <strong>an</strong>mutig<br />

<strong>und</strong> liebreizend <strong>und</strong> ihre unerzwungene ehrerbietige Freiheit ist geschickter sich <strong>in</strong> die Gemüter <strong>der</strong><br />

Menschen e<strong>in</strong>zuschleichen als e<strong>in</strong>e affektierte bauerstolze Gravität. Es gibt bei uns nur altväterische<br />

Sudelköche, die e<strong>in</strong>en guten Hirsebrei mit Bier <strong>und</strong> <strong>der</strong>gleichen Leckerbißle<strong>in</strong> aus denen alten<br />

Kochbüchern <strong>an</strong>richten können.“<br />

Es ist hier noch beson<strong>der</strong>s zu bemerken, daß vorwiegend die protest<strong>an</strong>tischen Fr<strong>an</strong>zosen den<br />

Ruhm tüchtiger arbeitsamer Geschäftsleute hatten. Eben als <strong>Zögl<strong>in</strong>ge</strong> ihrer Kirche waren sie tätige<br />

rechtschaffene Arbeiter. „Wenn auch alle Kaufleute <strong>von</strong> Nìmes schreibt Bâville im Jahre 1609

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