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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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12.<strong>Die</strong> letzten Pastoren.<br />

Marc Philipp Louis O’Bern 1762-1809.<br />

Der Vater <strong>von</strong> O’Bern war e<strong>in</strong> irländischer Edelm<strong>an</strong>n, welcher sich mit Louise Anto<strong>in</strong>ette Gräf<strong>in</strong><br />

du Quesne verheiratet hatte. <strong>Die</strong>se war die Enkel<strong>in</strong> des Marquis Henri du Quesne, des ältesten Sohnes<br />

des hochberühmten Admiral Abraham Marquis du Quesne, <strong>der</strong> die fr<strong>an</strong>zösische Mar<strong>in</strong>e wie<strong>der</strong><br />

hergestellt <strong>und</strong> den berühmten Ruyter besiegt hatte. Der Admiral war 80 Jahre alt als das Edikt <strong>von</strong><br />

N<strong>an</strong>tes aufgehoben wurde <strong>und</strong> Ludwig XIV., <strong>der</strong> die Verdienste des M<strong>an</strong>nes k<strong>an</strong>nte <strong>und</strong> hochschätzte,<br />

gab sich alle Mühe, ihn für die römische Kirche zu gew<strong>in</strong>nen. Er bot ihm den Marschalls-Stab<br />

als Preis des Übertrittes <strong>an</strong>. Der Held wies auf se<strong>in</strong> weißes Haar <strong>und</strong> sagte: „allergnädigster König,<br />

ich habe 60 Jahre h<strong>in</strong>durch dem Cäsar gegeben, was des Cäsars ist, erlauben Sie, daß ich Gott nun<br />

gebe, was Gottes ist.“ Er erhielt die Erlaubnis auf se<strong>in</strong>em Marquisat, dem ehemaligen Ländchen Le<br />

Bouchet <strong>in</strong> Isle de Fr<strong>an</strong>ce nicht weit <strong>von</strong> Estampes, se<strong>in</strong>e letzten Tage ruhig zu verbr<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong>e<br />

Söhne verließen das Königreich, aber sie mußten ihrem Vater versprechen, nie wi<strong>der</strong> ihr noch so<br />

<strong>und</strong><strong>an</strong>kbares Vaterl<strong>an</strong>d die Waffen zu führen.<br />

Se<strong>in</strong> ältester Sohn war e<strong>in</strong> gelehrter M<strong>an</strong>n <strong>und</strong> arbeitete mit <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er fr<strong>an</strong>zösischen Übersetzung<br />

des Neuen Testamentes die zu Genf bei Fabri <strong>und</strong> Barillot herauskam. Später begab er sich nach<br />

Genua <strong>und</strong> kaufte <strong>in</strong> dem Tavernierschen Concurs die Freiherrschaft Aulbonne im Wadtl<strong>an</strong>de. Er<br />

verlor e<strong>in</strong>en großen Teil se<strong>in</strong>es Vermögens durch den betrüglichen Aktienh<strong>an</strong>del <strong>von</strong> Missisippi,<br />

verkaufte se<strong>in</strong>e Herrschaft <strong>an</strong> den K<strong>an</strong>ton Bern <strong>und</strong> starb 1712 zu Genua. Se<strong>in</strong> ältester Sohn g<strong>in</strong>g<br />

nach Engl<strong>an</strong>d <strong>und</strong> wurde königlicher Gouverneur <strong>der</strong> Insel Jamaika <strong>und</strong> h<strong>in</strong>terließ e<strong>in</strong>en Sohn <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>e Tochter ohne Vermögen. <strong>Die</strong>se Tochter ist die Mutter <strong>von</strong> O’Bern. Als dieser 1762 nach <strong>Halle</strong><br />

kam, lebte hier e<strong>in</strong> alter Greis Jaquier mit dem Zunamen Provencal, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugend auf <strong>der</strong><br />

Flotte bei dem Bombardement <strong>von</strong> Algier unter dem Admiral du Quesne gedient hatte.<br />

Unser O’Bern war am 11. Februar 1738 zu Erl<strong>an</strong>gen geboren, wo se<strong>in</strong> Stiefvater fr<strong>an</strong>zösischer<br />

Prediger war. Er vollendete se<strong>in</strong>e Studien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz <strong>und</strong> machte <strong>in</strong> Zürich die Bek<strong>an</strong>ntschaft<br />

<strong>von</strong> Lavater <strong>und</strong> Heß, die er <strong>in</strong> d<strong>an</strong>kbarem Andenken behielt. Im Jahre 1762 wurde er zum zweiten<br />

Prediger <strong>an</strong> die hallesche Geme<strong>in</strong>de berufen.<br />

O’Bern war noch dem Lehrsystem <strong>der</strong> reformierten Kirche treu ergeben <strong>und</strong> <strong>in</strong> dieser se<strong>in</strong>er Anhänglichkeit<br />

<strong>an</strong> die damals überall preisgegebene <strong>und</strong> verlassene alte Lehre e<strong>in</strong>e seltene, <strong>in</strong> <strong>Halle</strong><br />

vielleicht die e<strong>in</strong>zige Ersche<strong>in</strong>ung. Er k<strong>an</strong>nte sie gründlich, verteidigte sie mit <strong>der</strong> g<strong>an</strong>zen Lebhaftigkeit<br />

se<strong>in</strong>es Gefühls, wurde auch wohl ihren Fe<strong>in</strong>den gegenüber scharf <strong>und</strong> heftig. In <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>geme<strong>in</strong>de<br />

sah er alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zufluchtstätte <strong>der</strong> verlorenen Wahrheit <strong>und</strong> trat mit ihr <strong>in</strong> enge Verb<strong>in</strong>dung.<br />

Er war e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nige, herzliche Natur, lebte <strong>in</strong> dem, was er glaubte <strong>und</strong> trug se<strong>in</strong> Bekenntnis mit<br />

warmer Überzeugung vor. Ohne künstliche Beredsamkeit o<strong>der</strong> leere Deklamation predigte er mit<br />

Eifer <strong>und</strong> suchte zu den Herzen zu reden. Als er e<strong>in</strong>st Schleiermacher gegenüber die biblische Lehre<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Versöhnung mit Glut <strong>und</strong> Glauben behauptete, <strong>und</strong> nach dem Gespräch dieser gefragt ward,<br />

ob die Theorie richtig sei, erwi<strong>der</strong>te er: „nicht die Theorie, aber die Liebe.“ Wir wissen, daß sich die<br />

Liebe <strong>in</strong> dieser Theorie nicht betrogen hat. In se<strong>in</strong>em Amte war O’Bern ungeme<strong>in</strong> tätig <strong>und</strong> arbeitsam<br />

<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de verehrte ihn sehr. Er hatte jene bedachtlose Wohltätigkeit, <strong>der</strong> es fast unmöglich<br />

wird e<strong>in</strong>en Armen zurückzuweisen <strong>und</strong> wäre oft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Güte mißbraucht worden, wenn<br />

nicht se<strong>in</strong>e sparsame Frau ihn überwacht hätte. Sie war „die Vernunft, welche se<strong>in</strong>e Gabe streng<br />

verbot.“ O’Bern war selten fleißig, sehr frühe st<strong>an</strong>d er auf um se<strong>in</strong>en Liebl<strong>in</strong>gsstudien nachzugehen<br />

<strong>und</strong> er konnte nie ohne Beschäftigung se<strong>in</strong>. Tüchtige Kenntnisse hatte er sich <strong>in</strong> den orientalischen<br />

Wissenschaften erworben <strong>und</strong> <strong>in</strong> den ersten Jahren se<strong>in</strong>es halleschen Lebens mit den Professoren

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