07.12.2012 Aufrufe

Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

85 Das gute Bekenntnis am Weihnachtsfeste 1613.<br />

den Kurs <strong>und</strong> Lauf <strong>der</strong> Wahrheit Gott, weil es nicht <strong>an</strong> Rennen <strong>und</strong> Laufen, son<strong>der</strong>n <strong>an</strong> Gottes freiem<br />

Erbarmen gelegen sei.“ In se<strong>in</strong>em beigegebenen Schreiben <strong>an</strong> die Pastoren, welches das<br />

„Schreien, Verdammen, Lästern, Stürmen <strong>und</strong> Schelten“ unterdrücken sollte, klagt er, daß gerade<br />

diejenigen am meisten eiferten, welche wenn es „zum Treffen käme um e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>nstle<strong>in</strong>s<br />

willen sich zum Papstum erklären dürften.“ Das Bekenntnis war auch wirklich mehr e<strong>in</strong>e Tat für die<br />

allgeme<strong>in</strong>e ev<strong>an</strong>gelische Sache, als für reformierte Eigentümlichkeiten.<br />

Wo bek<strong>an</strong>nt wird, da wird gelitten, m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n se<strong>in</strong>en M<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt nicht zur Ehre Gottes auftun,<br />

ohne geschmähet zu werden. Ob <strong>der</strong> Kurfürst auch betete: „Friede sei über Israel,“ es s<strong>in</strong>d nicht<br />

alle Israel <strong>und</strong> das „Zepter <strong>der</strong> Gottlosen“ regiert über die „guten <strong>und</strong> frommen Herzen,“ wenn es<br />

auch zuletzt zerbrochen wird.<br />

Zu welchen Szenen wilden Aufst<strong>an</strong>des es ungeachtet <strong>der</strong> großen L<strong>an</strong>gmut des Kurfürsten kam,<br />

ungeachtet se<strong>in</strong>es weisen Verfahrens, da<strong>von</strong> können wir uns überzeugen, wenn wir nur e<strong>in</strong>e da<strong>von</strong><br />

<strong>an</strong> uns vorübergehen lassen.<br />

Bei e<strong>in</strong>er Abwesenheit des Kurfürsten <strong>von</strong> Berl<strong>in</strong> ließ Markgraf Joh<strong>an</strong>n Georg im Namen se<strong>in</strong>es<br />

Bru<strong>der</strong>s am 30. März 1615 aus <strong>der</strong> Domkirche, welche <strong>der</strong> Kurfürst als se<strong>in</strong>e „ihm eigentümlich zuständige“<br />

Kirche <strong>an</strong>sah, Kruzifixe, Bil<strong>der</strong>, <strong>und</strong> beide Altäre <strong>in</strong>wendig <strong>und</strong> außerhalb des Chores <strong>und</strong><br />

den Taufste<strong>in</strong> h<strong>in</strong>wegnehmen <strong>und</strong> dagegen e<strong>in</strong>en Tisch <strong>in</strong> den Chor setzen. <strong>Die</strong> Re<strong>in</strong>igung g<strong>in</strong>g <strong>in</strong><br />

<strong>an</strong>ständiger ruhiger Weise vor sich. Am folgenden Sonntage machte Peter Stüler Diakonus <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Peterskirche, das Geschehene zum Gegenst<strong>an</strong>d se<strong>in</strong>er Betrachtung <strong>und</strong> schalt <strong>in</strong> den heftigsten Ausdrücken.<br />

Er schonte Niem<strong>an</strong>d, dem Kurfürsten rief er zu: „willst Du reformieren, so ziehe nach Jülich,<br />

da hast Du zu reformieren genug <strong>und</strong> siehe wie Du das behaltest.“ Se<strong>in</strong> Auftreten war selbst<br />

<strong>der</strong> ihm wohlwollenden Kurfürst<strong>in</strong> zu arg <strong>und</strong> sie me<strong>in</strong>te <strong>in</strong> ihrer kräftigen Sprache: „welcher Henker<br />

hat Sie heißen <strong>von</strong> Jülich predigen. Er br<strong>in</strong>gt allezeit solche Sachen auf die K<strong>an</strong>zel, die sich zum<br />

Texte nicht reimen.“ Am Montage nach se<strong>in</strong>er Predigt wurde Stüler über se<strong>in</strong>e Worte besorgt, er<br />

fürchtete die obrigkeitliche Strafe <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Not treibt ihn zu se<strong>in</strong>em Kollegen Koch, um dessen Rat<br />

zu hören. Er will nach Wittenberg fliehen, Koch ermahnt ihn zu bleiben <strong>und</strong> die Nacht <strong>in</strong> dem Hause<br />

e<strong>in</strong>es Fre<strong>und</strong>es zuzubr<strong>in</strong>gen. <strong>Die</strong>s ist ihm ke<strong>in</strong> Genüge, er wendet sich mit e<strong>in</strong>er Bittschrift <strong>an</strong> die<br />

Kurfürst<strong>in</strong>, daß sie ihn schütze, mit e<strong>in</strong>er <strong>an</strong><strong>der</strong>n <strong>an</strong> den Bürgermeister, daß er ihm e<strong>in</strong>e Bürgerwache<br />

<strong>in</strong>s Haus lege. Beide erklären ihm, es werde nichts gegen ihn geschehen, er möge Mut fassen.<br />

Se<strong>in</strong>e Angst ist größer als ihre Trostworte <strong>und</strong> treibt ihn zu den verkehrtesten Versuchen, sich zu<br />

helfen. Er geht mit se<strong>in</strong>er Frau bei e<strong>in</strong>brechendem Dunkel durch die Straßen <strong>der</strong> Stadt o<strong>der</strong> vor die<br />

Tore <strong>und</strong> klagte mit Tränen allen, die ihn <strong>an</strong>hören wollten, es drohe ihm Gewalt, m<strong>an</strong> wolle ihn <strong>in</strong>s<br />

Gefängnis führen. Der geme<strong>in</strong>e Pöbel glaubt ihm <strong>und</strong> läßt sich aufhetzen, nicht wenige Bürger<br />

schließen sich <strong>an</strong> <strong>und</strong> als es Nacht geworden, versammelt m<strong>an</strong> sich vor dem Hause Stülers, um es<br />

zu schützen. Stüler selbst war nach Schönberg gelaufen, se<strong>in</strong>e Frau stärkte <strong>in</strong>dessen die Haufen <strong>in</strong>dem<br />

sie ihnen aus e<strong>in</strong>em Bernauer Biersch<strong>an</strong>k den sie hielt, Bier austeilte. D<strong>an</strong>n brechen diese gegen<br />

das Haus des verhaßten Füssel auf. <strong>Die</strong>ser war schon <strong>von</strong> zwei <strong>Die</strong>nern des Statthalters benachrichtigt<br />

worden, welche <strong>von</strong> ihm nach dem Schlosse eilen, um Joh<strong>an</strong>n Georg selbst <strong>in</strong> Kenntnis zu<br />

setzen. M<strong>an</strong> läßt sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> späten Nacht kaum zu ihrem Herrn here<strong>in</strong>. Er hatte den Abend mit Lesen<br />

<strong>in</strong> den Passionspredigten <strong>von</strong> Scultetus zugebracht, es war <strong>der</strong> Montag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Karwoche, <strong>und</strong> sich<br />

d<strong>an</strong>n zur Ruhe begeben. Er setzt sich nun zu Pferde, nimmt e<strong>in</strong>ige <strong>Die</strong>ner mit sich, wohl kaum<br />

zwölf. In <strong>der</strong> Eile vergißt er die Pistole des Sattels <strong>und</strong> k<strong>an</strong>n sich nur mit e<strong>in</strong>em Rappiere bewaffnen.<br />

Zunächst stellt er sich vor dem Hause des Füssel auf <strong>und</strong> sichert demselben die Flucht durch<br />

e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>tertür. D<strong>an</strong>n begibt er sich unter die Aufrührer, welche sich zu 500 M<strong>an</strong>n gemehrt haben<br />

<strong>und</strong> mit Gewehren, Hellebarden, Knebel- <strong>und</strong> Fe<strong>der</strong>spießen bewaffnet s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> das Pflaster aufge-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!