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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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<strong>Die</strong> neuen Propheten <strong>und</strong> ihr Verteidiger. 70<br />

Sünden. Denn dieser Hure prächt’ger Thron wird bald das strenge <strong>Recht</strong> empf<strong>in</strong>den. Denn <strong>der</strong> Allmächt’ge<br />

siehet dre<strong>in</strong>, <strong>und</strong> schenket ihr zwiefältig e<strong>in</strong>. Geht aus, me<strong>in</strong> Volk; geht aus, me<strong>in</strong> Volk.<br />

Wem se<strong>in</strong>e Seele lieb ist, <strong>der</strong> fliehe aus <strong>der</strong> Babylonischen F<strong>in</strong>sternis heraus. Denn ich werde bald<br />

e<strong>in</strong>schenken <strong>von</strong> dem Grimme me<strong>in</strong>es Zorns, <strong>der</strong> alle Heiden taumelnd macht. Der Herr zeigte mir<br />

alles unser Volk, auch die, welche sonst nicht <strong>in</strong> die Kirche gehen, wurden aus <strong>der</strong> Stadt verwiesen.<br />

Von ferne sah ich e<strong>in</strong>en Engel, <strong>der</strong> hatte viel Kronen. Da liefen sie, daß ke<strong>in</strong>er die Krone versäumen<br />

wollte. Ich aber war so matt, daß ich nicht mehr nachkommen konnte. Da zog ich Schuhe <strong>und</strong><br />

Wams aus <strong>und</strong> lies, <strong>und</strong> kam am ersten h<strong>in</strong> <strong>und</strong> kriegte die Krone zuerst. D<strong>an</strong>ach kamen die <strong>an</strong><strong>der</strong>n<br />

auch, da waren darunter, die alle Kronen kriegten. <strong>Die</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>n aber mußten dem Engel nachfolgen,<br />

da führete er sie durch e<strong>in</strong> trübes Wasser. Etliche kamen dar<strong>in</strong>nen um, <strong>und</strong> etliche kamen noch heraus<br />

<strong>an</strong>s L<strong>an</strong>d.“ Von allen K<strong>an</strong>zeln ward nun gegen die Inspirierten gepredigt, die Regierung erließ<br />

ihre Edikte <strong>und</strong> die Stadt war <strong>in</strong> nicht ger<strong>in</strong>ger Aufregung. In diesen kochenden Bewegungen erhob<br />

sich das schrecklich aufgeregte Mädchen zu dem kühnen Wurfe e<strong>in</strong>er Generalprobe. Es wollte 40<br />

Tage <strong>und</strong> 40 Nächte fasten <strong>und</strong> also sich unwi<strong>der</strong>sprechlich beglaubigen. Ihre Kraft ermattete aber<br />

schon am dritten Tage, <strong>der</strong> Geist beschwerte sich über ihren Unglauben <strong>und</strong> erlaubte ihr Speisen zu<br />

nehmen. Ihre Weissagungen hörten nun auf, sie selbst <strong>und</strong> viele Anhänger ahnten teuflische Versuchungen.<br />

In e<strong>in</strong>er Schrift erklärte die Arme, daß bisher ke<strong>in</strong> guter Geist aus ihr geredet habe. In <strong>der</strong><br />

Folge wurde ihr leiblicher Zust<strong>an</strong>d e<strong>in</strong> höchst qualvoller, ihr eigener Vater erschrak vor den Mißh<strong>an</strong>dlungen<br />

se<strong>in</strong>er Tochter <strong>und</strong> wollte jetzt auch nur den Teufel <strong>in</strong> ihr sehen. Der Geist verfluchte<br />

sie um ihrer Untreue willen, da sie sich ihrem Schöpfer verlobet habe <strong>und</strong> versicherte se<strong>in</strong>e bleibende<br />

unruhige E<strong>in</strong>wohnung. Maria Elisabeth schenkte nach e<strong>in</strong>iger Zeit se<strong>in</strong>en Zuflüsterungen aufs<br />

neue Glauben <strong>und</strong> sah <strong>in</strong> ihrer körperlichen Not die Züchtigung des Abfalles. <strong>Die</strong> unterbrochenen<br />

Versammlungen beg<strong>an</strong>nen wie<strong>der</strong>, die verwirrten Gemüter klärten sich nicht auf. Im Juni 1714 erhielten<br />

sie e<strong>in</strong>e bedeutende Ermunterung durch vier <strong>in</strong>spirierte Ankömml<strong>in</strong>ge aus Amsterdam. <strong>Die</strong>s<br />

waren: Peter Bourreaux, Jakob Kornhardt, Weihze Cenen <strong>und</strong> Elisabeth Freimuth. Letztere verhieß<br />

<strong>an</strong> e<strong>in</strong>en Arbeiter die Gabe <strong>der</strong> Weissagung unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung, daß er die ordentlichen Lehrer<br />

nicht weiter höre. Sie sprach zu ihm: „Da ihr eure Herzen habt begeben zu verstehen die Weisheit<br />

Gottes, darum seid ihr auch erhört. Ihr sollt nicht wie<strong>der</strong>um gehen zu den gebrochenen Gefäßen, die<br />

ke<strong>in</strong> Wasser halten, nur alle<strong>in</strong> sollt ihr gehen zu dem, <strong>der</strong> euch führet.“ Obwohl die Austreibung <strong>der</strong><br />

fremden E<strong>in</strong>zügler erfolgte, hatten doch die <strong>Halle</strong>nser Brü<strong>der</strong> Antrieb genug erhalten, beisammen<br />

zu bleiben. Ihre Zahl stieg wie<strong>der</strong> auf 40 Vere<strong>in</strong>sglie<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> Prediger <strong>Halle</strong>s hatten – wie wir gehört<br />

– <strong>der</strong> Inspirierten Sache zu dämpfen gesucht, sie dachten nicht, daß e<strong>in</strong>er unter ihnen auftreten würde,<br />

<strong>der</strong> für jene Partei ergreifen <strong>und</strong> sie unterstützen werde.<br />

Der Verteidiger.<br />

Im Jahre 1710 war <strong>in</strong> die dritte Dompredigerstelle <strong>in</strong> <strong>Halle</strong> Theodor Knauth e<strong>in</strong>gerückt. Er war<br />

<strong>der</strong> Sohn e<strong>in</strong>es Schullehrers <strong>in</strong> Köthen. Er besuchte das Joachimsthaler Gymnasium zu Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

studierte zu Bremen <strong>und</strong> Fr<strong>an</strong>ecker. E<strong>in</strong> sehr günstiges Zeugnis brachte er <strong>von</strong> Campegius Vitr<strong>in</strong>ga<br />

aus Fr<strong>an</strong>ecker mit, <strong>in</strong> dessen Schriftbetrachtung er mit Vorliebe e<strong>in</strong>geg<strong>an</strong>gen war <strong>und</strong> <strong>der</strong> ihn affectu<br />

suo dignissimum gehalten hatte. Nach e<strong>in</strong>er dreijährigen Tätigkeit <strong>in</strong> Bernau als Prediger trat er neben<br />

dem Konsistorialrat Hofprediger Schardius <strong>und</strong> dem Dr. Heyden als den beiden ersten Predigern<br />

<strong>in</strong> die dritte Dompredigerstelle e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Vitr<strong>in</strong>gi<strong>an</strong>er galten den Anhängern <strong>der</strong> alten Schule, zu<br />

denen sich Schardius zählte, als die mo<strong>der</strong>nen Neuerer. Als Knauth im S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong>es Lehrers predigte,<br />

mit tätiger H<strong>an</strong>d se<strong>in</strong> neues Amt <strong>an</strong>griff, die Geme<strong>in</strong>de zu Hausgottesdiensten ermahnte <strong>und</strong><br />

selbst fleißig die Häuser besuchte, sich ziemlich selbständig regte <strong>und</strong> bewegte, erwachte die gehei-

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