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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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75 <strong>Die</strong> neuen Propheten <strong>und</strong> ihr Verteidiger.<br />

bekommen. Ihr wisset, daß <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Sohn des himmlischen Vaters sich den e<strong>in</strong>fältigen Schäfern<br />

zu erkennen gegeben hat, welche auf dem Felde waren. Ihr verachtet se<strong>in</strong>e Armut heutiges Tages<br />

sehr, <strong>in</strong>dem er nur im Stall geboren <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Krippe ist gelegt worden. Hat er sich wohl den Klugen<br />

zu erkennen gegeben, welche <strong>in</strong> herrlich gezierten Zimmern wohnen? Ne<strong>in</strong>, ne<strong>in</strong>, sage ich euch.<br />

O ihr Erdenwürmer, was machet ihr! Wisset, daß ihr’s nicht mit e<strong>in</strong>em Menschen zu tun habet. Ich<br />

habe euch genug gewarnt, nehmet euch <strong>in</strong> acht. Kehret um, weil es noch Zeit ist, damit nicht me<strong>in</strong>e<br />

H<strong>an</strong>d schwer über euch werde, denn ich kenne eure Herzen.<br />

Me<strong>in</strong> Wille ist, daß dieses <strong>in</strong> das Deutsche übersetzt werde.“<br />

Schardius glaubte jetzt nicht mehr gegen das Oberkirchendirektorium schweigen zu dürfen <strong>und</strong><br />

er s<strong>an</strong>dte <strong>an</strong> dasselbe e<strong>in</strong>e scharfe, <strong>in</strong> vielem ungerechte Anklageakte e<strong>in</strong>, welche bittere Folgen für<br />

Knauth haben sollte.<br />

Se<strong>in</strong>e persönliche Vernachlässigung als Inspektor, <strong>der</strong> Vorwurf, <strong>der</strong> auf die reformierte Kirche<br />

falle, als halte sie es mit jenen Irrgeistern, das durch die Beleidigung Luthers <strong>und</strong> durch die Unionsvorschläge<br />

gestörte Friedensverhältnis zwischen Reformierten <strong>und</strong> Luther<strong>an</strong>ern – dies s<strong>in</strong>d die<br />

hauptsächlichsten Anklagepunkte. Am Schluß sagt er noch <strong>in</strong> vornehmen kaltem Tone: „Aus allem<br />

ersche<strong>in</strong>et wohl, wor<strong>an</strong> <strong>der</strong> M<strong>an</strong>n kr<strong>an</strong>k lieget, nämlich <strong>an</strong> großer E<strong>in</strong>bildung <strong>von</strong> sich selbsten, Eigendünkel,<br />

Passion durch <strong>der</strong>gleichen Neuerungen <strong>und</strong> Schriften sich bek<strong>an</strong>nt <strong>und</strong> berühmt zu machen.<br />

Lei<strong>der</strong> <strong>von</strong> Anf<strong>an</strong>g se<strong>in</strong>es Hierse<strong>in</strong>s habe ich spüren müssen, daß er novaturientis <strong>an</strong>imi est,<br />

<strong>und</strong> darf sich <strong>an</strong> diesem Orte, <strong>der</strong> da son<strong>der</strong>lich sche<strong>in</strong>et, e<strong>in</strong>e Zuflucht <strong>der</strong> Irrgeister zu se<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong><br />

neuer Schwärmer auftun, so ist er e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> besten, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Gesellschaft <strong>und</strong> Unterredung suchet.“<br />

Harte Ahndung verl<strong>an</strong>gte <strong>der</strong> Inspektor. <strong>Die</strong>se blieb nicht aus <strong>und</strong> das unvorsichtige unklare H<strong>an</strong>deln<br />

des jungen M<strong>an</strong>nes, <strong>der</strong> freilich e<strong>in</strong>e gutgeme<strong>in</strong>te Intention dabei hatte, vergilt die harte Schärfe<br />

des Kirchendirektoriums mit <strong>der</strong> Strafe <strong>der</strong> Absetzung. Zuvor wird das Schriftchen konfisziert,<br />

<strong>der</strong> Verkauf mit 100 Tlr. Strafe belegt, <strong>und</strong> Knauth e<strong>in</strong>e Deprekationsformel vorgelegt, <strong>in</strong> welcher er<br />

Abbitte dafür tun sollte, daß er als e<strong>in</strong> junger Prediger se<strong>in</strong>en Inspektor überg<strong>an</strong>gen, Lutherum auf<br />

freche Weise <strong>an</strong>gezapft, absurde Vorschläge zur Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Protestierenden Kirchen get<strong>an</strong> etc.<br />

Knauth verweigerte die nur im Presbyterium zu vollziehende Abbitte, weil er mit gutem Gewissen<br />

bezeugen könne, daß er sich aller jener D<strong>in</strong>ge nicht schuldig fühle <strong>und</strong> nur se<strong>in</strong>er wohlgeme<strong>in</strong>ten<br />

Nächstenliebe gefolgt wäre. Vergeblich besuchen ihn zw<strong>an</strong>zig <strong>und</strong> mehr Familienväter <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

auf e<strong>in</strong>mal, um ihn dazu mit Tränen zu bewegen, er beharrt bei se<strong>in</strong>em Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>de. Se<strong>in</strong>e Suspension<br />

wird ausgesprochen <strong>und</strong> er zu e<strong>in</strong>em letzten Examen nach Berl<strong>in</strong> zitiert. Se<strong>in</strong>e <strong>Recht</strong>fertigung<br />

gefiel nicht, se<strong>in</strong>en Protest gegen die Abbitte f<strong>an</strong>d m<strong>an</strong> unverschämt <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>em l<strong>an</strong>gen<br />

Schreibkampfe, <strong>in</strong> dessen weit ausgedehntes trauriges Gesp<strong>in</strong>st wir hier nicht e<strong>in</strong>gehen können,<br />

wurde Knauth im März 1715 se<strong>in</strong>es Amtes entsetzt. Er war dadurch dem Elende preisgegeben, <strong>in</strong><br />

welches er den bitteren Stachel e<strong>in</strong>er grausamen Vergeltung e<strong>in</strong>es Liebesdienstes mitnahm. Als Vitr<strong>in</strong>ga<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Remotion se<strong>in</strong>es Schülers hörte, sagte er: Certe non video <strong>in</strong> hoc libello rationem t<strong>an</strong>tae<br />

poenae, nequidem alicujus poenae, est enim modeste, mo<strong>der</strong>ate et circumspecte scriptus. Über<br />

die Inspirierten selbst enthielt er sich des Urteils.<br />

Knauth lebte meist als Hauslehrer <strong>und</strong> verw<strong>an</strong>dte se<strong>in</strong>e freie Zeit zur unermüdlichen Verteidigung<br />

se<strong>in</strong>er Unschuld. Das Schwelgen <strong>und</strong> Dulden wurde ihm schwer, die Geduld Christi war ihm<br />

fremd, er verzehrte sich im Eifer <strong>der</strong> Ehrenrettung. Mit Schardius korrespondierte er noch l<strong>an</strong>ge <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>e Aufsätze dick wie e<strong>in</strong> Buch flößen beim Durchsehen <strong>der</strong> Domakten wahren Schrecken e<strong>in</strong>.<br />

Mit e<strong>in</strong>em verschwen<strong>der</strong>ischen, fast prahlerischen Aufw<strong>an</strong>d <strong>von</strong> Gelehrsamkeit aus reformierter<br />

Theologie belegt er jeden Schritt se<strong>in</strong>er Verg<strong>an</strong>genheit <strong>und</strong> Seitenl<strong>an</strong>g erstrecken sich die Zitate aus<br />

aller Welt für diese o<strong>der</strong> jene Frage. Fast hätte er durch se<strong>in</strong>e Redefülle uns <strong>von</strong> diesem Bericht ab-

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