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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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105 <strong>Die</strong> soziale Wohltat.<br />

schlechte Katholiken s<strong>in</strong>d, so hören sie darum nicht auf die besten H<strong>an</strong>delsleute zu se<strong>in</strong>“. In vielen<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>en Orten galten sie als die Reichsten <strong>und</strong> Angesehensten. Der Seeh<strong>an</strong>del blühte durch sie,<br />

Engl<strong>an</strong>d <strong>und</strong> Holl<strong>an</strong>d vertraute ihnen alle<strong>in</strong>, ihr Kredit war allgeme<strong>in</strong>. Sie erzw<strong>an</strong>gen sich unter ihren<br />

Fe<strong>in</strong>den Hochachtung durch die Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Sitten, durch ihren Patriotismus, durch ihre Königstreue.<br />

Mit e<strong>in</strong>er großen Anzahl neuer Erwerbszweige bereicherten sie ihr Vaterl<strong>an</strong>d. Der Kern<br />

<strong>der</strong> Nation wurde mit ihnen ausgetrieben.<br />

<strong>Die</strong> Fr<strong>an</strong>zosen, welche nach <strong>Halle</strong> kamen, waren dem größten Teile nach Fabrik<strong>an</strong>ten, Kaufleute,<br />

Künstler, Fabrikarbeiter, H<strong>an</strong>dwerker. Schon die kurze Bezeichnung <strong>der</strong> verschiedenen Stände bei<br />

den ersten E<strong>in</strong>züglern zeigte dies. Aus dem Jahre 1687 liegt e<strong>in</strong> Verzeichnis <strong>der</strong> hauptsächlichsten<br />

Familienhäupter vor <strong>und</strong> außer den Pastoren, dem Richter <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igen Militärpersonen gehören alle<br />

den H<strong>an</strong>deltreibenden <strong>und</strong> H<strong>an</strong>dwerkerständen <strong>an</strong>. Sie sollten <strong>in</strong> unserer heruntergekommenen<br />

Stadt, die <strong>in</strong> H<strong>in</strong>sicht auf H<strong>an</strong>del <strong>und</strong> Gewerbe noch auf <strong>der</strong> niedrigsten Stufe <strong>der</strong> Entwicklung<br />

st<strong>an</strong>d, e<strong>in</strong>en großartigen Aufschwung hervorrufen. Sie führten das H<strong>an</strong>delsleben <strong>der</strong> Stadt zu e<strong>in</strong>er<br />

Höhe, daß Ancillon sagt, <strong>Halle</strong> habe glücklich mit Leipzig rivalisiert. Vor <strong>der</strong> Ankunft <strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zosen<br />

<strong>und</strong> Pfälzer war <strong>in</strong> <strong>Halle</strong> fast noch gar nichts geschehen, den Wohlst<strong>an</strong>d zu heben. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger<br />

Tuchmacher f<strong>an</strong>d sich, welcher aber nicht selbst produzierte son<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>e Tücher aus Sachsen bezog.<br />

Es wurde <strong>an</strong><strong>der</strong>s als die Calv<strong>in</strong>isten kamen. Geschickte, arbeitsame, vielgew<strong>an</strong>dte Leute unternahmen<br />

sie sogleich mit regem Eifer die frühere Tätigkeit. E<strong>in</strong>ige <strong>von</strong> ihnen hatten e<strong>in</strong>en Teil ihres<br />

Vermögens gerettet, so vornehmlich die aus Metz Entkommenen, welche nach Br<strong>an</strong>denburg 2 Millionen<br />

Fr<strong>an</strong>ken brachten <strong>an</strong><strong>der</strong>e unterstützte <strong>der</strong> Kurfürst mit freigiebiger H<strong>an</strong>d <strong>und</strong> ihre sparsame<br />

Haushaltung, ihre e<strong>in</strong>fache Bedürfnislosigkeit half ihnen bald <strong>von</strong> ger<strong>in</strong>gen Anfängen zu dem lohnendsten<br />

Erfolge. „In <strong>der</strong> Annahme <strong>von</strong> Vorschüssen waren sie sehr vorsichtig, nahmen sie sie <strong>an</strong>,<br />

so waren sie beflissen dieselben zur bestimmten Zeit zurückzuzahlen.“ E<strong>in</strong>e fr<strong>an</strong>zösische Kaufm<strong>an</strong>ns-<br />

o<strong>der</strong> H<strong>an</strong>dwerkerfamilie war für die <strong>Halle</strong>nser e<strong>in</strong> Vorbild <strong>von</strong> weiser E<strong>in</strong>schränkung <strong>und</strong><br />

rastloser Regsamkeit. In gewöhnlicher armseliger Bude f<strong>in</strong>gen sie <strong>an</strong>, fast jeden Schritt klug <strong>und</strong> bedächtig<br />

überlegend, nichts wagend <strong>und</strong> endeten oft <strong>in</strong> großen Etablissements. Der Vater hatte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Frau <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die nötigen H<strong>an</strong>dl<strong>an</strong>ger, m<strong>an</strong> tat alles selbst <strong>und</strong> <strong>der</strong> Weg zum Markte<br />

ward zu Fuß gemacht, m<strong>an</strong> nahm die Ware auf den Rücken. „Ihr pünktliches Worthalten, die Gründlichkeit<br />

ihrer Arbeiten erwarb ihnen Vertrauen. Je<strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösische Protest<strong>an</strong>t hatte die gute Me<strong>in</strong>ung<br />

für sich, daß er e<strong>in</strong> rechtschaffener gewissenhafter M<strong>an</strong>n sei. <strong>Die</strong>ses erwarb den Künstlern <strong>und</strong><br />

H<strong>an</strong>dwerkern auch bei den höchsten Ständen Achtung <strong>und</strong> hatte die gute Folge, dem Bürger- <strong>und</strong><br />

H<strong>an</strong>dwerksst<strong>an</strong>de überhaupt e<strong>in</strong> eigenes Ehrgefühl zu geben. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Protest<strong>an</strong>ten<br />

<strong>in</strong> solchem Gefühl aufgewachsen, drängten sich nicht zu höheren Ständen, beneideten nicht<br />

<strong>der</strong>en sche<strong>in</strong>baren Gl<strong>an</strong>z. Getreu den Gewerben ihrer Väter suchten sie dagegen dieselben zu noch<br />

höherer Vollkommenheit zu br<strong>in</strong>gen.“ Als die Kurfürst<strong>in</strong> <strong>von</strong> Br<strong>an</strong>denburg alle ihre Kronjuwelen<br />

dem Peter Fromery, e<strong>in</strong>em aus Sed<strong>an</strong> nach Berl<strong>in</strong> geflüchteten Juwelier <strong>an</strong>vertraute, <strong>und</strong> <strong>der</strong> hohe<br />

Gemahl sich darüber wun<strong>der</strong>te, <strong>an</strong>twortete sie: „Ist er nicht e<strong>in</strong> Flüchtl<strong>in</strong>g?“ E<strong>in</strong>e Szene würdig <strong>von</strong><br />

Chodowiecky durch e<strong>in</strong>en Kupferstich dargestellt zu werden.<br />

Gehen wir nach diesen allgeme<strong>in</strong>eren Vorbemerkungen zu e<strong>in</strong>em näheren Nachweis ihrer Wahrheit<br />

über, <strong>in</strong>dem wir die beson<strong>der</strong>en Gebiete <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zosen <strong>in</strong> <strong>Halle</strong> betreten. Zunächst<br />

ist ihr E<strong>in</strong>fluß auf die Erziehung <strong>der</strong> Jugend bedeutend gewesen. Es widmeten sich viele <strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zosen<br />

diesem Berufe. <strong>Die</strong> meisten hörten den höheren Ständen <strong>an</strong> <strong>und</strong> diese vornehmen gebildeten<br />

Lehrer <strong>von</strong> fe<strong>in</strong>er Sitte <strong>und</strong> Weltkenntnis waren so gesucht, daß ihnen fast alle wohlhabenden Fami-

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