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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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97 <strong>Die</strong> letzten Pastoren.<br />

rischen Geme<strong>in</strong>den, die e<strong>in</strong>greifende Hervorhebung des Gesetzes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schriftlehre, wodurch m<strong>an</strong><br />

teils e<strong>in</strong>e alle rationalistische Moral übertreffende Lebensregel hatte, teils auch ihre dargebotenen<br />

Verbesserungen nicht bedurfte o<strong>der</strong> als schwächlich <strong>an</strong>sehen konnte, wehrten ihn etwas ab, obwohl<br />

1790 <strong>der</strong> Ges<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Psalmen den Fr<strong>an</strong>zosen so <strong>an</strong>stößig wurde, daß sie ihre Kirche nicht mehr besuchen<br />

wollten. Ihr Verl<strong>an</strong>gen nach verständlichen Gesängen, welche sich direkt auf die Wahrheiten<br />

<strong>und</strong> das Wort des Ev<strong>an</strong>geliums bezögen, wurde durch die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> <strong>von</strong> Henry <strong>in</strong> Potsdam bewerkstelligten<br />

Sammlung <strong>von</strong> Psalmen, Hymnen <strong>und</strong> Gesängen erfüllt. Am 31. Juli 1791 s<strong>an</strong>g die<br />

Geme<strong>in</strong>de avec un applaudissement general daraus, die deutschen Melodien, „viel besser als die <strong>der</strong><br />

Psalmen,“ zogen aufs Neue die Kirchenbesucher herbei, auch die Deutschen kamen jetzt häufiger<br />

<strong>und</strong> die Almosen mehrten sich wie<strong>der</strong>.<br />

Erlauben wir uns bei den eben <strong>an</strong>geregten Ged<strong>an</strong>ken e<strong>in</strong>en Exkurs. Der Verfasser <strong>der</strong> Briefe über<br />

den Religionszust<strong>an</strong>d <strong>in</strong> den preußischen Staaten seit <strong>der</strong> Regierung Friedrich des Großen (I. Bd. S.<br />

226) f<strong>in</strong>det unter den Berl<strong>in</strong>er fr<strong>an</strong>zösischen Geistlichen nur e<strong>in</strong>en – Reclam, welcher e<strong>in</strong>er freieren<br />

theologischen d. i. rationalistischen Lehrart zuneigte <strong>und</strong> me<strong>in</strong>t, daß die Fr<strong>an</strong>zosen h<strong>in</strong>ter den deutschen<br />

Gottesgelehrten weit zurück seien. Indessen war die Religionsverfassung <strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zösisch-reformierten<br />

noch damals <strong>der</strong>artig, daß sie auch diesem Reisenden „viel Schönes, viel Anziehendes<br />

<strong>und</strong> wirklich Großes“ darbot. Er sagt: „Allerd<strong>in</strong>gs haben die fr<strong>an</strong>zösischen Geistlichen <strong>und</strong> die <strong>von</strong><br />

ihnen abhängigen Schulbedienten viele Vorzüge. Sie lieben fast mehr wie die deutschen die brü<strong>der</strong>liche<br />

E<strong>in</strong>igkeit untere<strong>in</strong><strong>an</strong><strong>der</strong>, besitzen fast gar ke<strong>in</strong>en Stolz, s<strong>in</strong>d ungeme<strong>in</strong> dienstfertig <strong>und</strong> heitere<br />

menschenfre<strong>und</strong>liche Gesellschafter. Dabei hängen sie fast alle pünktlich <strong>an</strong> dem alten System <strong>der</strong><br />

Theologie, verteidigen die Lehrsätze <strong>der</strong> reformierten Kirche eifrigst <strong>und</strong> lassen auch ke<strong>in</strong>e K<strong>an</strong>didaten<br />

zum Predigtamte, welche nicht g<strong>an</strong>z <strong>und</strong> gar orthodox s<strong>in</strong>d. Ihre Kommunionen s<strong>in</strong>d ernsthaft<br />

<strong>und</strong> rührend zugleich. <strong>Die</strong> g<strong>an</strong>ze Geme<strong>in</strong>de versammelt sich mit vieler Devotion zum Tische, wo<br />

die äußeren Zeichen ausgeteilt werden. Sie pflegen sich beim E<strong>in</strong>legen des Almosens <strong>in</strong> die Becken<br />

sehr freigiebig zu erweisen. <strong>Die</strong> Sitten <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Kolonien s<strong>in</strong>d noch immer e<strong>in</strong>fach, <strong>und</strong><br />

wenn m<strong>an</strong> das G<strong>an</strong>ze betrachtet, unschuldig. Sie s<strong>in</strong>d zur Mittelmäßigkeit gewöhnt <strong>und</strong> bemühen<br />

sich alles Übermaß zu verhüten. <strong>Die</strong> Wahl <strong>der</strong> Prediger geht bei den Geme<strong>in</strong>den ungeme<strong>in</strong> unparteiisch<br />

zu. M<strong>an</strong> könnte ihnen viele Nachfolger wünschen.“ Über die fr<strong>an</strong>zösische Redelebhaftigkeit<br />

sagt <strong>der</strong> Briefschreiber: „Es fehlte nur noch, daß sie den Hut aufsetzten, mit <strong>der</strong> Dose, dem Tuche<br />

machen m<strong>an</strong>che sehr viel Bewegung, die <strong>in</strong>s Übertriebene fällt.“ Der g<strong>an</strong>ze Abschnitt ist, mit Kritik<br />

gelesen, unterrichtend (II. 106.). Ebenso lobt die Sitten <strong>der</strong> Magdeburger fr<strong>an</strong>zösischen Kolonie das<br />

Mémoire historique sur la fondation de l’église fr<strong>an</strong>çoise de Magdebourg (1806). Als nämlich am<br />

19. August 1804 <strong>der</strong> schöngebaute fr<strong>an</strong>zösische Tempel <strong>in</strong> wenigen St<strong>und</strong>en nie<strong>der</strong>br<strong>an</strong>nte <strong>und</strong> klagend<br />

<strong>und</strong> we<strong>in</strong>end die Fr<strong>an</strong>zosen auf den Trümmern st<strong>an</strong>den, erwachte <strong>in</strong> ihnen <strong>der</strong> alte Geist, <strong>der</strong><br />

die Kirche e<strong>in</strong>st gegründet hatte. <strong>Die</strong>selbe Freigiebigkeit, dieselbe Sparsamkeit, um so e<strong>in</strong>en Überschuß<br />

für den Neubau zu gew<strong>in</strong>nen, <strong>der</strong>selbe Eifer <strong>und</strong> gleiche fast noch größere E<strong>in</strong>igkeit zeigte<br />

sich unter ihnen. Was hiemit <strong>von</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Kolonien gesagt ist, wird auch <strong>von</strong> <strong>der</strong> halleschen gelten.<br />

Während so die lutherische Kirche, ja auch die deutsch-reformierte dem Rationalismus zum Raube<br />

gefallen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die teuren Vätergüter um mo<strong>der</strong>nen Menschent<strong>an</strong>d verspielt haben, bewahren<br />

die <strong>Zögl<strong>in</strong>ge</strong> <strong>Calv<strong>in</strong>s</strong> <strong>in</strong> dem Großen <strong>und</strong> G<strong>an</strong>zen ihrer Kirchensitte <strong>und</strong> Lehre das Wort ihres ihnen<br />

<strong>von</strong> Gott ges<strong>an</strong>dten Reformators. Es fehlte unter ihnen nicht <strong>an</strong> falschgeistigen Pastoren, so war<br />

Chodowiecky, <strong>der</strong> Kollege O’Berns, nach dem Zeugnis se<strong>in</strong>er eigenen Frau e<strong>in</strong>er „<strong>der</strong> nichts glaubte,“<br />

aber <strong>der</strong> ernste <strong>und</strong> hohe Kirchengeist, welcher durch das strenge Vorbild ihres Meisters <strong>und</strong> die<br />

Br<strong>an</strong>dmale <strong>der</strong> Leiden ihnen e<strong>in</strong>gehaucht war, wirkte noch bis <strong>in</strong> diese Zeit elen<strong>der</strong> Verflachung <strong>und</strong><br />

Leerheit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Und als echte Konservative, nicht als Revolutionäre <strong>und</strong> Neuerer, tragen die

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