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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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<strong>Die</strong> letzten Pastoren. 96<br />

stauriert, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit hielt m<strong>an</strong> im Dome Sonntag morgens um 9 Uhr <strong>und</strong> nachmittags um 1<br />

Uhr Gottesdienst. <strong>Die</strong> Kolonie m<strong>in</strong><strong>der</strong>te sich <strong>von</strong> Jahr zu Jahr. 1774 s<strong>in</strong>d ihre Mitglie<strong>der</strong> 129, darunter<br />

21 zu unterrichtende K<strong>in</strong><strong>der</strong>; die jährliche Kommunik<strong>an</strong>tenzahl beläuft sich auf 328 Teilnehmer:<br />

es herrscht also noch die alte Sitte, daß die g<strong>an</strong>ze Geme<strong>in</strong>de bei den verschiedenen Feiern zum<br />

Abendmahle geht. Wegen <strong>der</strong> vielen Arbeiten, die das Ältestenamt mit sich brachte, sche<strong>in</strong>t m<strong>an</strong><br />

se<strong>in</strong>e Annahme gescheut zu haben. Denn gegen die im Jahre 1774 ergehende Auffor<strong>der</strong>ung, daß die<br />

Ältesten die Kirchenlisten abfassen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>reichen sollten, protestieren sie, weil sie Kaufleute wären,<br />

ihre gute Arbeit hätten <strong>und</strong> das wenig gesuchte Ältestenamt nicht noch mehr beschwert werden<br />

müßte (la charge d’Ancien est actuellement peu recherchée.) Indessen ist die lebendige Teilnahme<br />

<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de noch nicht verglommen, alle wichtigen Ereignisse begleitet sie mit Interesse<br />

<strong>und</strong> Urteil. Im Dezember 1773 setzte sie <strong>der</strong> Pastorenwahl des jungen K<strong>an</strong>didaten Gr<strong>an</strong>dam entgegen,<br />

daß sich bei aller Anerkennung se<strong>in</strong>er Talente, welche sich unter guten Händen zu schönen<br />

Früchten entwickeln könnten, doch bei ihm noch zuviel jugendliche Leichtigkeit <strong>und</strong> Unerfahrenheit<br />

zeigte. Vielfach s<strong>in</strong>d die Klagen des oberen Konsistoriums <strong>in</strong> dieser Zeit über den schlechten<br />

Schulbesuch. „Wie können wir, heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reskript, die Geme<strong>in</strong>demitglie<strong>der</strong> ermahnen,<br />

wenn die Pastoren selbst so wenig ihre Pflicht hier<strong>in</strong> tun?“<br />

<strong>Die</strong> Geme<strong>in</strong>deschule war am Ende des Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>in</strong> traurigem Zust<strong>an</strong>de, <strong>der</strong> Lehrer war alt,<br />

hatte nur arme K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die reicheren besuchten zwei <strong>an</strong><strong>der</strong>e fr<strong>an</strong>zösische Schulen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt. Auch<br />

durch die stete Kränklichkeit <strong>der</strong> Pastoren war es übel um die Geme<strong>in</strong>de bestellt <strong>und</strong> sie r<strong>an</strong>g mit<br />

Bitten <strong>und</strong> Vorstellungen bei dem oberen Konsistorium um ihre Existenzmittel.<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Zeit <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Kolonie <strong>von</strong> 1780 bis 1809, welche am Ende <strong>der</strong><br />

neunziger Jahre sogar noch e<strong>in</strong>mal über 100 Mitglie<strong>der</strong> zählte, herrscht noch etwas die frühere Geme<strong>in</strong>dezucht,<br />

welche <strong>in</strong>dessen durch m<strong>an</strong>che verkehrte Zugeständnisse, wie das <strong>der</strong> freien Wahl des<br />

Stadt-Predigers, <strong>der</strong> den zum Abendmahl vorbereitenden Unterricht geben soll, gebrochen wird. Geblieben<br />

ist dieselbe Sorgfalt <strong>und</strong> Sauberkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwaltung auch <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>sten kirchlichen Ereignisse.<br />

<strong>Die</strong> vielen Armen, die wenigen Reichen lassen die freigebigen großen Gaben seltener werden.<br />

M<strong>an</strong>che unglückliche Ereignisse deuten gleichsam auf das Sterben <strong>der</strong> Kolonie h<strong>in</strong>. Der Bau e<strong>in</strong>es<br />

Lazarettes auf <strong>der</strong> Moritzburg verbaut trotz des Protestes des Konsistoriums <strong>der</strong> Burgkapelle e<strong>in</strong><br />

Fenster <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt <strong>an</strong><strong>der</strong>e Unbequemlichkeiten mit sich; <strong>der</strong> Br<strong>an</strong>d des oberen Teiles des Pfarrhauses<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ulrichstraße am 8. Februar 1798, bei dem die beiden Pastoren <strong>in</strong> ihrem Besitze bedeutend<br />

beschädigt wurden, bereitet <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de viele Not um das nötige Baugeld; die Neigung e<strong>in</strong>iger<br />

Mitglie<strong>der</strong> für die deutsch-reformierte Geme<strong>in</strong>de, welcher das Konsistorium mit Mühe zu wehren<br />

sucht, zeigt schon jetzt auf den Ort h<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die letzten Fr<strong>an</strong>zosen aufnehmen werde. Doch die Geme<strong>in</strong>de<br />

erhebt sich aus ihren Verlusten mit neuem Mut. Das Pfarrhaus wird wie<strong>der</strong> erbaut (nach <strong>der</strong><br />

Reparatur zahlte O’Bern für die obere Etage 60 Taler Miete, Chodowiecky für die untere 40 Taler),<br />

sogar das Armenhaus aus dem Strohhofe wollte m<strong>an</strong> um Geld zu erl<strong>an</strong>gen, deshalb verkaufen,<br />

glücklicherweise war dies nicht nötig. Wohltätige, eifrige Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kolonie wie <strong>der</strong> Kommerzienrat<br />

Garrigues, <strong>der</strong> Assessor Bassenge tun viel um den Best<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de zu sichern <strong>und</strong> die<br />

Hoffnung auf e<strong>in</strong>e größere Zukunft ihres Kirchle<strong>in</strong>s bleibt unter den Fr<strong>an</strong>zosen. Am Anf<strong>an</strong>g des<br />

neuen Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde <strong>in</strong>dessen schon die Anordnung e<strong>in</strong>er deutschen Predigt <strong>an</strong> jedem vierten<br />

Sonntage nötig. <strong>Die</strong> liturgischen E<strong>in</strong>leitungen dazu nahm m<strong>an</strong> aus den „Andachts-Übungen <strong>und</strong> Gebeten“<br />

<strong>von</strong> Zollikofer <strong>und</strong> die Gesänge aus dem Ges<strong>an</strong>gbuch <strong>der</strong> deutsch-reformierten Geme<strong>in</strong>de.<br />

Aus <strong>der</strong> Annahme dieser Bücher erkennt m<strong>an</strong>, wie <strong>der</strong> Rationalismus auch <strong>in</strong> die fr<strong>an</strong>zösische Geme<strong>in</strong>de<br />

se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>zug hält. Es ist sonst höchst merkwürdig, wie ger<strong>in</strong>ge Spuren er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

zeigt. <strong>Die</strong> Macht <strong>der</strong> kirchlichen guten Tradition, <strong>der</strong> Respekt vor <strong>der</strong> Bibel größer als <strong>in</strong> den luthe-

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