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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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Das kirchliche Vorbild <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Bekenntnis, Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Gottesdienst. 36<br />

Alle Angelegenheiten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de werden durch das Konsistorium verwaltet. In se<strong>in</strong>er Mitte<br />

müssen sich die Armen stellen <strong>und</strong> ihre Not wird geprüft; s<strong>in</strong>d die Armengel<strong>der</strong> <strong>von</strong> dem Ancien<br />

Diacre e<strong>in</strong> Jahr verwaltet, so werden die E<strong>in</strong>nahmen <strong>und</strong> Ausgaben desselben sorgfältig <strong>von</strong> zwei<br />

Ältesten durchgesehen <strong>und</strong> dem Konsistorium vorgelegt. Bei <strong>der</strong> Feier des Abendmahles teilt e<strong>in</strong><br />

Ältester die méreaux aus, dies waren Bleimarken, welche mit e<strong>in</strong>em Palmbilde die für die Geme<strong>in</strong>de<br />

s<strong>in</strong>nige Inschrift trugen: Curvata resurgo; e<strong>in</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>er sammelt sie wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>, zwei sorgen für<br />

Brot <strong>und</strong> We<strong>in</strong> <strong>und</strong> helfen bei <strong>der</strong> Zurüstung <strong>und</strong> Bedienung <strong>der</strong> Tische. Viermal des Jahres wurde<br />

das Abendmahl gefeiert <strong>und</strong> <strong>von</strong> dieser Ordnung weicht m<strong>an</strong> nur d<strong>an</strong>n ab, wenn aus weiter Ferne<br />

fr<strong>an</strong>zösische Brü<strong>der</strong> gekommen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> nach dem „Trost des heiligen Mahles“, verl<strong>an</strong>gen. Es werden<br />

aber d<strong>an</strong>n, um die Kommunion zu vermehren, noch e<strong>in</strong>ige <strong>von</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de zur Mitfeier aufgefor<strong>der</strong>t.<br />

Vor je<strong>der</strong> Abendmahlsh<strong>an</strong>dlung vollzieht das Konsistorium unter sich die brü<strong>der</strong>liche<br />

Vermahnung <strong>und</strong> Bestrafung (Censures fraternelles). Von dem Abendmahl werden aus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

alle die ausgeschlossen, die durch ihren W<strong>an</strong>del dazu ver<strong>an</strong>lassen. <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Teilnehmenden<br />

belief sich bei je<strong>der</strong> vierteljährigen Feier meistens auf 400, unter welchen Gäste aus Leipzig <strong>und</strong><br />

Magdeburg waren. Es pflegte also die g<strong>an</strong>ze Geme<strong>in</strong>de zu gehen.<br />

Haben die Ältesten e<strong>in</strong> Vergehen <strong>in</strong> Erfahrung gebracht, welches bedeutend genug ist um unter<br />

die Zucht des Konsistoriums gestellt zu werden, so for<strong>der</strong>n sie den Täter <strong>in</strong> ihre Mitte, <strong>und</strong> ermahnen<br />

ihn vor Gott die Wahrheit zu sagen. Halten sie es für nötig, daß er <strong>von</strong> dem Abendmahle ausgeschlossen<br />

werde, so muß er <strong>von</strong> diesem zurücktreten, doch wird die Geme<strong>in</strong>de bei ke<strong>in</strong>em öffentlichen<br />

Ärgernisse we<strong>der</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> Ausschließung noch <strong>von</strong> <strong>der</strong> später erfolgten Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahme benachrichtigt.<br />

Es bleibt dieses strafende Verfahren <strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en Kreise des Konsistoriums. Es ist<br />

gewiß gut, hier zu erwähnen, daß auch solche, die <strong>in</strong> Gewohnheit <strong>und</strong> im Leichts<strong>in</strong>n den Namen<br />

Gottes mißbrauchten, wenn sie nicht da<strong>von</strong> abst<strong>an</strong>den, vom Abendmahl ausgeschlossen wurden. Ist<br />

das Vergehen e<strong>in</strong> öffentliches Ärgernis geworden, ist <strong>der</strong> Sün<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Ketzer, e<strong>in</strong> Verächter Gottes,<br />

e<strong>in</strong> Verräter se<strong>in</strong>er Kirche, so wird se<strong>in</strong> Name <strong>von</strong> <strong>der</strong> K<strong>an</strong>zel gen<strong>an</strong>nt <strong>und</strong> dadurch se<strong>in</strong>e Ausschließung<br />

vom Abendmahl e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> bek<strong>an</strong>nte, – für ihn zur demütigenden Strafe, für die Geme<strong>in</strong>de<br />

zur heilsamen Furcht. Bis zum Jahre 1709 (denn nur aus dem Zeitabschnitte <strong>von</strong> 1686-1713 haben<br />

wir allerlei Belege <strong>in</strong> die Darstellung <strong>der</strong> Diszipl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geflochten), s<strong>in</strong>d uns etwa 4 bis 5 Fälle<br />

vorgekommen, wo <strong>der</strong> Ausschluß wegen Hurerei geschah, häufiger s<strong>in</strong>d gemachte Schulden <strong>der</strong> Anlaß<br />

gewesen, <strong>in</strong> welche die Verarmten bald geraten konnten. <strong>Die</strong> Zeit <strong>der</strong> Ausschließung vom<br />

Abendmahl wurde nach <strong>der</strong> Ges<strong>in</strong>nung des ihr Verfallenen verlängert o<strong>der</strong> verkürzt. Im Jahre 1706<br />

waren aus <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Geme<strong>in</strong>de satirische Schriftchen verbreitet, m<strong>an</strong> bemühte sich eifrigst<br />

die Schuldigen zu entdecken, welche die Liebe <strong>in</strong> so gefährlicher Weise verletzten (qui blessent<br />

d<strong>an</strong>gereusement la charité). Das letzte Mittel <strong>der</strong> kirchlichen Zucht, nachdem <strong>der</strong> Name des Verbrechers<br />

drei Sonntage nache<strong>in</strong><strong>an</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de gen<strong>an</strong>nt war <strong>und</strong> ihre Fürbitte <strong>und</strong> Mithilfe zur<br />

Heilung des Schadens erfleht war, war die Abtrennung vom Leibe Jesu Christi, die Exkommunikation,<br />

<strong>in</strong> erschütternd ernster Weise vollzogen mit Verfluchung dessen, <strong>der</strong> den Herrn Jesum nicht<br />

liebt. Da <strong>in</strong> den Kirchakten ke<strong>in</strong> bestimmter Fall vorliegt, übergehen wir die Beschreibung dieser<br />

Eifertat des strafenden Geistes Gottes, bei welcher m<strong>an</strong> e<strong>in</strong> ergreifendes Formular gebrauchte.<br />

Das Hurenwesen, welches damals so viele Klagen <strong>der</strong> Prediger <strong>in</strong> <strong>Halle</strong> weckte, hatte auch se<strong>in</strong>e<br />

giftige Ansteckung auf die Fr<strong>an</strong>zosen geworfen. Das Konsistorium ließ e<strong>in</strong>e ernste Vorstellung <strong>von</strong><br />

<strong>der</strong> K<strong>an</strong>zel verlesen, daß doch die Flüchtl<strong>in</strong>ge nicht <strong>in</strong> so schändlicher Weise den Ruhm ihrer Leiden<br />

vernichten sollten <strong>und</strong> die Glie<strong>der</strong> Christi zu Hurenglie<strong>der</strong>n machen. Sie möchten nicht die<br />

Züchtigung Gottes vergessen <strong>und</strong> nicht se<strong>in</strong>en Zorn zu härterer Strafe erwecken. Eifrig wurde die

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