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Die Zöglinge Calvins in Halle an der Saale von ... - Licht und Recht

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<strong>Die</strong> soziale Wohltat. 106<br />

lien ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> schickten. Der Adel Br<strong>an</strong>denburgs wuchs so <strong>in</strong>son<strong>der</strong>heit unter ihren geschickten<br />

Händen zu e<strong>in</strong>em ritterlichen wohlgesitteten Geschlechte auf.<br />

Es war e<strong>in</strong> aus Grenoble ausgew<strong>an</strong><strong>der</strong>ter Reformierter Michael Milié gen<strong>an</strong>nt la Fleur, <strong>der</strong> geheime<br />

Kammerdiener des Herzog August <strong>von</strong> Sachsen, Adm<strong>in</strong>istrator des Erzbistums Magdeburg, welcher<br />

nach dem Tode se<strong>in</strong>es alten Herrn unter dem neuen Regenten, dem großen Kurfürsten, durch<br />

die Gründung se<strong>in</strong>er Académie des Exércices für die ritterlichen Künste e<strong>in</strong>e Lehrstätte <strong>in</strong> <strong>Halle</strong><br />

gründete, welche wie sie später mit <strong>der</strong> Universität vere<strong>in</strong>igt wurde, so auch dazu mit beigetragen<br />

hat, den Ged<strong>an</strong>ken zur Errichtung <strong>der</strong> Letzteren <strong>an</strong>geregt zu haben. Kaum war nämlich August gestorben,<br />

als sich la Fleur eilig nach Berl<strong>in</strong> begab, um dem Kurfürsten e<strong>in</strong> früher Bote dieser wichtigen<br />

Nachricht zu werden <strong>und</strong> dadurch se<strong>in</strong>e Gnade für sich <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e zahlreiche Familie <strong>und</strong> auch<br />

für die Stadt zu gew<strong>in</strong>nen. Der bisherige Hof hatte e<strong>in</strong>en zahlreichen Adel nach <strong>Halle</strong> gezogen, die<br />

L<strong>an</strong>deskollegien waren mit vielen für die damaligen Zeiten wohlbesoldeten Räten besetzt <strong>und</strong> die<br />

Bürgerschaft zählte beson<strong>der</strong>s unter den Pfännern <strong>und</strong> den Mitglie<strong>der</strong>n des Rates wohlhabende <strong>und</strong><br />

reiche Männer. Daher hatten sich hier mehrere sogen<strong>an</strong>nte Exerzitienmeister, die <strong>in</strong> den ritterlichen<br />

Künsten, im Reiten, Fechten, T<strong>an</strong>zen, sowie <strong>in</strong> neueren Sprachen Unterricht erteilten, nie<strong>der</strong>gelassen.<br />

Ihnen war durch die Aufhebung des Hofstaates die Aussicht auf reichlichen Erwerb geschmälert,<br />

wo nicht abgeschnitten. Daher wußte la Fleur durch se<strong>in</strong> Bitten den Kurfürsten zu bestimmen,<br />

daß er ihm die Erlaubnis erteilte „e<strong>in</strong>e Sprach- <strong>und</strong> Exerzitien-Schule“ zu begründen <strong>und</strong> zu dem<br />

Behufe Sprach-, Fecht- <strong>und</strong> T<strong>an</strong>zmeister <strong>an</strong>zunehmen. La Fleur machte sich mit gew<strong>an</strong>dter <strong>und</strong> fleißiger<br />

H<strong>an</strong>d <strong>an</strong> die Ausführung se<strong>in</strong>er Ged<strong>an</strong>ken, kaufte das E<strong>in</strong>siedelsche Haus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Märkerstraße<br />

(Nr. 454 <strong>und</strong> 455), hängte als Zeichen des kurfürstlichen Schutzes das Br<strong>an</strong>denburgische Wappen<br />

vor <strong>der</strong> Tür auf <strong>und</strong> stellte die nötigen Lehrer, jedoch nur unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung, daß sie für e<strong>in</strong>en Taler<br />

monatlich <strong>an</strong> se<strong>in</strong>em Tische aßen, <strong>an</strong>. Obgleich das G<strong>an</strong>ze mehr e<strong>in</strong>e Privatunternehmung war,<br />

so erfreute es sich doch des besten Erfolges <strong>und</strong> die Zahl <strong>der</strong> Schüler nahm trotz des dagegen eifernden<br />

Rektors Prätorius immer mehr zu. In Folge dessen sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Kurfürst sowohl dem la Fleur<br />

als den e<strong>in</strong>zelnen Lehrern im Jahre 1685 e<strong>in</strong>en Gehalt ausgesetzt zu haben; denn ersterer bezog aus<br />

<strong>der</strong> Magdeburgischen L<strong>an</strong>dschaftskasse jährlich 150 <strong>und</strong> aus den hiesigen Kammergefällen 100 Taler.<br />

T<strong>an</strong>zmeister war Maieux, Sprachmeister Ch<strong>an</strong>noy, Fechtmeister Petri. <strong>Die</strong> <strong>Zögl<strong>in</strong>ge</strong> wohnten<br />

zum großen Teile auch <strong>in</strong> la Fleurs Hause <strong>und</strong> zahlten für den Unterricht im T<strong>an</strong>zen, Fechten <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Sprache, sowie für Tisch, Stube <strong>und</strong> Bett jährlich 120 Taler. Wir können hier nicht<br />

weiter auf la Fleurs Streitigkeiten mit <strong>der</strong> durch den Stallmeister <strong>von</strong> Berghorn gegründeten Ritterakademie<br />

e<strong>in</strong>gehen. Sowohl diese neue Ritterakademie als die Anstalt la Fleurs g<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>, als die<br />

Universität eröffnet wurde, <strong>der</strong>en Gründung sie durch ihre Frequenz als e<strong>in</strong> vorteilhaftes Unternehmen<br />

empfohlen hatten.<br />

Hatte la Fleur mit se<strong>in</strong>er Anstalt e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Vorspiel <strong>der</strong> zukünftigen Universität gegeben <strong>und</strong> für<br />

ritterliche Erziehung <strong>der</strong> vornehmen Söhne <strong>Halle</strong>s sich bemüht, so f<strong>an</strong>den sich auch später, als sich<br />

die Fr<strong>an</strong>zosen <strong>in</strong> <strong>Halle</strong> mehrten, unter ihnen viele Lehrer. Neben verschiedenen Namen steht im<br />

Kirchenbuche die Bezeichnung: Lehrer <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Sprache, denn <strong>der</strong> Unterricht <strong>in</strong> ihrer<br />

Muttersprache mußte sich den Flüchtl<strong>in</strong>gen gleichsam als erster Nahrungszweig darbieten. Neuerd<strong>in</strong>gs<br />

hat wie<strong>der</strong> Krabbe den Calv<strong>in</strong>ismus zum Ver<strong>der</strong>ber <strong>der</strong> deutschen Muttersprache gemacht.<br />

<strong>Die</strong> Schuld lag weniger <strong>an</strong> den Calv<strong>in</strong>isten, als <strong>an</strong> <strong>der</strong> geckenhaften Vorliebe <strong>der</strong> Deutschen für diese<br />

Sprache schon vor <strong>der</strong> Ankunft <strong>der</strong> Flüchtl<strong>in</strong>ge. Bei den vielen Wohltaten die sie uns gebracht<br />

sollte m<strong>an</strong> billig diesen Schaden bedecken: die großen Grimms zieren unser Jahrhun<strong>der</strong>t. <strong>Die</strong> Fr<strong>an</strong>zosen<br />

verb<strong>an</strong>den mit dem Sprachunterricht die Unterweisung <strong>in</strong> fe<strong>in</strong>erer Lebenssitte <strong>und</strong> edler Zivilität<br />

<strong>und</strong> Fr<strong>an</strong>cke <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht ihre Gaben erkennend suchte sie für se<strong>in</strong>e Unterrichts<strong>an</strong>stalten

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