Der Zwölfte Schritt

können, so groß waren unsere Befürchtungen und Ängste. Wir
hatten beschlossen, in unsere Gemeinschaft niemand anders als
die nach unserer Vorstellung reinen Alkoholiker aufzunehmen.
Außer ihrem Trinken und seinen schlimmen Folgen durften sie
keine anderen Schwierigkeiten haben.
Bettler, Landstreicher, Patienten aus Nervenkliniken,
Strafgefangene, Homosexuelle, Verrückte und gefallene Mädchen
waren völlig ausgeschlossen. Ja, Herrschaften, unsere
Gemeinschaft wollte sich nur um den reinen und ehrenwerten
Alkoholiker kümmern. Alle anderen würden sicherlich dazu
beitragen, dass sich die Gemeinschaft wieder auflöst. Außerdem:
Wenn wir dieses Gesindel aufnehmen würden, was würden
anständige Leute über uns sagen? Wir bauten einen feinmaschigen
Zaun um unsere Gemeinschaft.
Vielleicht klingt dies heute komisch. Vielleicht meint ihr, wir Alten
wären doch sehr unduldsam gewesen. Aber ich kann euch sagen,
damals fanden wir nichts Lustiges an der Sache. Wir waren
verbittert, weil wir wussten, dass unser Leben und unsere Familien
in Gefahr waren -und das war wirklich kein Spaß. 'Unduldsam',
werdet ihr sagen, wenn schon; wir hatten Angst. Natürlich handelten
wir wie fast alle Menschen, die Angst haben. Ist nicht Angst letzten
Endes die Wurzel der Unduldsamkeit? Ja, wir waren intolerant. Wie
konnten wir damals auch nur vermuten, dass alle diese
Befürchtungen sich als grundlos herausstellen würden? Wie
konnten wir wissen, dass Tausende dieser manchmal grässlichen
Menschen eine erstaunliche Genesung durchmachen und sich zu
unseren besten Mitarbeitern und intimsten Freunden entwickeln
würden? Konnte man glauben,
dass bei Anonymen Alkoholikern die Zahl der Ehescheidungen weit
unter dem Durchschnitt liegen würde? Konnten wir damals
voraussehen, dass derart schwierige Leute unsere besten Lehrer in
Geduld und Toleranz werden würden? Konnte man sich damals
eine Gesellschaft vorstellen, in der sich Menschen aller möglichen
Charaktere zusammenfinden und mit Leichtigkeit alle Schranken