Der Zwölfte Schritt

von Rasse, Religion, Politik und Sprachen einreißen würden?
Warum hat die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker schließlich
alle Statuten über Mitgliedschaft aufgehoben? Warum überließen
wir es jedem Neuen, selbst zu entscheiden ob er Alkoholiker ist und
ob er zu uns gehören wollte? Warum wagten wir zu sagen, ganz im
Gegensatz zu den Erfahrungen von Staat und Gesellschaft, dass
wir niemanden bestrafen oder aus der Gemeinschaft ausschließen
würden, dass wir niemanden zwingen dürfen, etwas zu bezahlen,
etwas zu glauben oder unserer Meinung zu sein.
Die Entwicklung, die wir jetzt in der Dritten Tradition erkennen, war
einfach. Schließlich haben wir die Erfahrung gemacht: Für einen
Alkoholiker kann es endloses Leid oder den Tod bedeuten, wenn
man ihm diese Chance verwehrt. Wer wollte es auf sich nehmen,
Geschworener, Richter und Henker seines eigenen kranken
Bruders zu sein? Als dann eine Gruppe nach der anderen diese
Problematik erkannte, gaben schließlich alle ihre Vorschriften über
die Mitgliedschaft auf. Ein dramatisches Ereignis nach dem anderen
bestärkte uns in diesem Beschluss, der schließlich zu unserer
allgemein gültigen Tradition wurde.
Hier bringen wir zwei Beispiele:
Die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker bestand seit zwei
Jahren. Damals gab es nur zwei namenlose, um ihre Existenz
ringende Gruppen von Alkoholikern, die nicht aufgaben.
Ein Neuer erschien bei ein er dieser Gruppen, klopfte an und bat
um Einlass. Er sprach ganz offen mit dem, der am längsten zur
Gruppe gehörte. Es stellte sich bald heraus, dass der Neue in einer
verzweifelten Lage war, dass er aber vor allem gesund werden
wollte. Er fragte: "Wollt ihr mich in eurer Gruppe aufnehmen? Da ich
noch ein anderes Laster habe, das einen noch schlimmeren Ruf als
Alkoholismus hat, wollt ihr mich vielleicht gar nicht in eurer Gruppe
haben. Oder darf ich hier bleiben?"
Wir gerieten in einen Zwiespalt. Wie sollte sich die Gruppe
entscheiden? Der Gruppenälteste zog zwei andere zu Rate und