Syntax des gesprochenen Deutsch - mediensprache.net
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140 Margret Selting<br />
hier gefolgt von der Wiedergabe formelhafter Beschimpfungen. Syntaktisch<br />
endet diese Ankündigung jedoch nicht an einem syntaktisch möglichen<br />
Endepunkt einer möglichen syntaktischen Konstruktion im gegebenen<br />
sequenziellen Kontext, sondern es handelt sich um eine unvollständig<br />
bleibende syntaktische Konstruktion; mithin keine Ellipse, sondern ein<br />
Anakoluth. Prosodisch wird diese Einheit dennoch als ganz normale, eine<br />
Fortsetzung projektierende Einheit hingestellt: die letzte gleichbleibende<br />
Tonhöhenbewegung projektiert eine Fortsetzung <strong>des</strong> Turns, die mit der<br />
Redewiedergabe ja auch eingelöst wird.<br />
Die Konstruktionen in den Zeilen 404 und 407-408 präsentieren stereotype<br />
Klagen und Vorwürfe von Frauen an Männer. Die Einheit in Zeile 404 kann<br />
dabei als konventionelle Schimpfformel analysiert werden. Die Einheit in<br />
Zeile 407 ist konstruiert wie die Fortsetzung eines möglichen Vorgängersatzes,<br />
der jedoch unformuliert bleibt. Die Einheit in Zeile 408 ist formuliert<br />
wie der zweite Teil einer nahegelegten Koordinationsellipse wie z. B. er ist der<br />
unterDRÜCKER un ( .. ) ich die unterDRÜCKte. In den beiden letzteren Fällen<br />
werden die Vorwürfe wegen ihres stereotypen Inhalts nur angedeutet (s. u.).<br />
Da syntaktisch gesehen die Bezugskonstruktionen fehlen, müßte man hier<br />
von Anakoluthen reden; dennoch werden sie prosodisch wie ganz normale<br />
Einheiten konfiguriert und abgeschlossen.<br />
Ein noch schwierigerer Fall liegt im folgenden Beispiel (20: 396f.) vor:<br />
(20)<br />
392 N: sondern also ER fängt an ( ... ) äh so (.)<br />
393 N: r<br />
S(!<br />
sein verhältnis zu seiner MUTter zu analysiem ( .. )<br />
/ )<br />
394R: *hmhm<br />
\/<br />
395 N: was DA so für mechanismen VOR sich gegangen sind (.)<br />
M(- )<br />
396 un DANN in bezuch darauf nachher so öh seine FRAU:<br />
* F(\ \<br />
397 oder überHAUPT frauenbeziehungn=<br />
* \ )<br />
398 N: [=iS SEHR interesSANT kann ich NUR emPFEHLN<br />
F[ F(\ \ ) F( \ \) ]<br />
3991: hm hmhm<br />
<br />
Auch hier handelt es sich um eine syntaktisch unvollständige Konstruktion:<br />
un DANN in bezuch darauf nachher so öh seine FRAU: oder überHAUPT frauenbeziehungn.<br />
Es liegt kein syntaktisch möglicher Satz vor, da ein finites Verb<br />
fehlt. Aber die Konstruktion kann im gegebenen sequenziellen Kontext auch<br />
nicht als reguläre Ellipse interpretiert werden, die entweder eine Vorgängerkonstruktion<br />
übernimmt oder eigenständig das Thema weiterentwickelt.<br />
Dennoch wird sie prosodisch als eigenständige und abgeschlossene