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Syntax des gesprochenen Deutsch - mediensprache.net

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240 Susanne Günthner<br />

aufeinander, sondern die beiden Stimmen "stehen einander feindlich<br />

gegenüber"; d.h. die ursprüngliche Intention der zitierten Figur wird verzerrt,<br />

und die zitierte Rede soll "genau entgegengesetzten Zielen dienen".<br />

Bestimmte Elemente der ,Original'äußerung - wie die vorwurfsvolle Stimmewerden<br />

selektiert und in einem neuen Kontext so typisiert und verzerrt reproduziert,<br />

daß sie eine neue Bedeutung erlangen. Auch die eingeflochtenen<br />

Kicherpartikeln, die keineswegs der Großmutter zuzuordnen sind, verweisen<br />

auf die Überlagerung von Stimmen. Die Mehrstimmigkeit innerhalb einer<br />

Äußerung bringt also zwei unterschiedliche Intentionen zum Ausdruck: Die<br />

Intention der zitierten Figur (die vorwurfsvolle Kritik der Großmutter) und<br />

die Intention der Erzählerin (die Kritik an der präsentierten Kritik). Wir<br />

können hierbei insofern von einer "Interferenz der Texte" (Schmid 1973)<br />

sprechen, als in ein und demselben Segment zu gleicher Zeit sowohl der /J Text<br />

der Figur" als auch der "Text der Erzählerin" vergegenwärtigt wird. Diese Art<br />

der Überlagerung verschiedener Texte wird von seiten der Literaturwissenschaft<br />

als Ästhetisierungsverfahren in literarischen Texten beschrieben<br />

(Bachtin 1979; Volosinov 1975; Schmid 1973), doch wie die vorgestellten<br />

Beispiele - die keineswegs Ausnahmefälle darstellen - verdeutlichen, treffen<br />

wir auch in der Alltagskommunikation auf diese Phänomene der Überlagerung<br />

von Stimmen und Polysemie in der Redewiedergabe. Bei der in<br />

Alltagsgesprächen auftretenden "Reaktion <strong>des</strong> Wortes auf das Wort"<br />

(Volosinov 1975: 180) kommt jedoch einem bislang in Zusammenhang mit<br />

Redewiedergabe vernachlässigten Phänomen eine zentrale Rolle zu: der<br />

Prosodie.<br />

3 INDIREKTE REDE<br />

Traditionellerweise wird behauptet, daß indirekte Rede nur den Inhalt nicht<br />

aber die Form der ,Originaläußerung' zum Ausdruck bringe und - damit<br />

einhergehend - expressive Momente in der indirekten Rede nur in der Redeeinleitung<br />

zum Ausdruck gebracht werden könnten (Lucy 1993). Der folgende<br />

Transkriptausschnitt, in dem sich Rita bei Nora über ihren früheren WG­<br />

Mitbewohner Jürgen beklagt, zeigt jedoch, daß auch indirekte Rede expressive<br />

Elemente enthalten kann. Jürgen hatte Rita morgens um sieben Uhr angerufen<br />

und beschimpft, da er fälschlicherweise annahm, sie hätte sein Auto ,versteckt'.<br />

Im folgenden rekonstruiert Rita Ausschnitte aus dem Telefonat:<br />

WG-Knatsch<br />

19 Rita: no wars de Jfugen<br />

20 no war der t AU.ßER. SICH VOR. WUT.<br />

21 (1.0)<br />

22 «gepreßte Stimrne))t <br />

23 Nora: «stöhnend))

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