Syntax des gesprochenen Deutsch - mediensprache.net
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Direkte und indirekte Rede in Alltagsgesprächen 255<br />
deutungen (wie Sprechereinstellung im Sinne von Skepsis oder Zweifel<br />
gegenüber der wiedergegebenen Äußerung, Distanzierung von der zitierten<br />
Rede, Markiertheit etc.) beiträgt.37 In der Forschungsliteratur finden sich<br />
hinsichtlich der Verwendung von Indikativ- und Konjunktivformen in der<br />
indirekten Rede zwei entgegengesetzte Positionen:<br />
(i) Diejenige, die den unterschiedlichen Modi kontextunabhängige Grundfunktionen<br />
bzgL "subjektiver Einstellung <strong>des</strong> Sprechers zu dem besprochenen<br />
Sachverhalt" (Jäger 1971: 249) zuord<strong>net</strong>. Beim Indikativgebrauch "identifiziere"<br />
sich der Sprecher mit der zitierten Rede (Helbig/Buscha 1981: 165);<br />
bzw. stelle er etwas als IITatsachenäußerung" dar (Jäger 1971: 242; Duden 1973:<br />
117). Mit dem Konjunktiv I dagegen gebe der Sprecher etwas "ohne Gewähr<br />
für die Richtigkeit" wieder (Duden 1973: 117); er referiere "die Äußerung eines<br />
anderen, ohne daß er irgendwie dazu Stellung nimmt" (Jäger 1971: 242). Der<br />
Konjunktiv 11 wiederum werde dann verwendet, wenn "Skepsis <strong>des</strong><br />
Referierenden gegenüber dem Ausgesagten" zum Ausdruck gebracht werden<br />
soll (Jäger 1971: 251).38<br />
(ii) Die zweite Richtung wendet sich gegen die Annahme, daß die<br />
Verwendung der unterschiedlichen Wiedergabemodi mit einer "Stellungnahme<br />
<strong>des</strong> Sprechers zur Redewiedergabe" in Verbindung zu bringen sei, und<br />
argumentiert für eine auf lokalen, sozialen und stilistischen Prinzipien basierende<br />
Variation (Bausch 1975: 334).<br />
Auch wenn sicherlich lokale, soziale und stilistische Variationen im<br />
Gebrauch der Wiedergabemodi zu finden sind,39 so schließen diese Beobachtungen<br />
nicht aus, daß nicht auch innerhalb bestimmter lokaler, situativer<br />
und stilistischer Kontexte die unterschiedlichen Modi bestimmte Interaktionsfunktionen<br />
innehaben und somit kontextspezifische ,Absichten' wahrnehmen<br />
können. Daß diese Funktionen keineswegs kontextfrei als ,Identifikation mit<br />
dem Gesagten' (im Falle der Indikativverwendung); ,ohne Gewähr' bzw.<br />
,Skepsis' (im Falle <strong>des</strong> Gebrauchs von Konjunktiv I und 11) festzuschreiben<br />
sind und damit die Sprechereinstellumg zum Wahrheitsgehalt <strong>des</strong> Gesagten<br />
ausdrücken, verdeutlicht das vorliegende DatenmateriaL Vielmehr kann der<br />
Konjunktivgebrauch, der ja stets eine gewisse Markiertheit aufweist, in bestimmten<br />
Kontexten zur Evaluation der Redewiedergabe verwendet werden.<br />
Daß jedoch auch hier keine kontextunabhängige Gleichsetzung von Identifikation<br />
mit dem Gesagten und Indikativform bzw. Nicht-Identifikation und<br />
Konjunktiv postuliert werden kann, zeigte beispielsweise das Transkript<br />
FRIEDAS GEBURTSTAG, in dem die Erzählerin (Ina) ihre Verwandte in indirekter<br />
Rede mit Indikativ zitiert, obwohl sie sich sehr stark von der zitierten<br />
Rede distanziert. Im folgenden Transkriptausschnitt, in dem Ulla von der<br />
"orientalischen Kurzhaarkatze" aus der Nachbarschaft berichtet, verwendet<br />
sie indirekte Rede mit Konjunktiv 11 zur Rederekonstruktion derjenigen Leute,<br />
die die Katze "häßlich" finden und damit Ullas eigene Evaluation teilen:<br />
A orientalische Kurzhaarkatz<br />
34 Ulla: =aber manche saget, sie hättet a ganz HÄßliche Katz gsieh.