Syntax des gesprochenen Deutsch - mediensprache.net
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Selbstreparaturen in Alltagsdialogen 173<br />
repariert wird. Diese Ambiguität stellt aber die Gültigkeit der Kopfregel nicht<br />
in Frage.)<br />
Trotz der diskutierten und möglicherweise weiterer Detailprobleme<br />
scheint die Erweiterte Kopfregel anderen einschlägigen Vorschlägen in der<br />
Literatur überlegen zu sein. Sie erklärt auf elegante und korrekte Weise<br />
Reparaturmuster, die in natürlichen Dialogen besonders häufig verwendet<br />
werden bzw. schließt solche aus, die praktisch nie vorkommen und auch<br />
intuitiv nicht vollständig wohlgeformt erscheinen. Darüber hinaus erlaubt sie<br />
es vielleicht eher als andere vorgeschlagene Regeln, die Ausdehnung der<br />
syntaktischen Schleife psycholinguistisch zu motivieren und an Forschungsarbeiten<br />
27 zur inkrementellen Verarbeitung anzuschließen. Dies zu zeigen,<br />
würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen.<br />
4 FAZIT<br />
Kehren wir abschließend noch einmal zur allgemeineren Frage <strong>des</strong> Verhältnisses<br />
von Grammatik und Konversationsforschung zurück. Die besprochenen<br />
Regularitäten der Reparatursyntax belegen m. E. sehr deutlich,<br />
warum es sinnvoll, ja unumgänglich ist, die beiden Forschungstränge zu<br />
integrieren. Weder die isoliert grammatische noch die isoliert konversationsanalytische<br />
Betrachtung, wie sie sich in den eingangs zitierten Äußerungen<br />
Grewendorfs bzw. Bergmanns manifestiert, kann den fraglichen Regularitäten<br />
Rechnung tragen. Aus der Sicht der isoliert grammatischen Position<br />
ist es ja schon erstaunlich, daß es diese Regularitäten überhaupt gibt, mehr<br />
aber noch, daß sie die syntaktische Struktur betreffen, ohne aus den Regeln<br />
der Satzgrammatik - die ja über Reparaturen gar nichts sagt - zu folgen. Der<br />
sich gegenüber der Satzgrammatik als gänzlich autonom verstehenden<br />
konversationsanalytischen Position müßte es dagegen zu denken geben, daß<br />
in diesen Regularitäten ein essentiell satzsyntaktisches Konzept, nämlich das<br />
<strong>des</strong> funktionalen Kopfes, eine zentrale Rolle spielt. Kontra Bergmann sind<br />
zur Analyse dieser Zusammenhänge also ,linguistische Denkmuster' nicht<br />
nur nicht "hinderlich", sondern sogar unbedingt erforderlich.<br />
Die von mir vorgeschlagene integrative Sicht dagegen erwartet solche<br />
engen Interaktionen zwischen grammatischen und konversationellen<br />
Kategorien geradezu. Sie geht nicht davon aus, daß beim konkreten Sprechen<br />
ein völlig anderer Bereich sprachlichen Wissens aktiviert wird als bei der<br />
Beurteilung der Wohlgeformtheit kontextfreier Sätze, sondern daß in beiden<br />
Fällen (wenn auch vielleicht mit unterschiedlichen Gewichtungen) sowohl<br />
das im engeren Sinn grammatische als auch das auf die Interaktion bezogene<br />
Wissenssystem aktiv ist, und daß es <strong>des</strong>wegen auch in beiden Fällen<br />
regelhafte Bezüge zwischen diesen Wissenssystemen gibt.