Syntax des gesprochenen Deutsch - mediensprache.net
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1 Zur Analyse syntaktischer Strukturen in der<br />
<strong>gesprochenen</strong> Sprache<br />
PETER SCHLOBINSKI<br />
1 VOM ,PRIMAT DER GESPROCHENEN SPRACHE'<br />
I n einer Anmerkung berichtet Schindler (1995), daß der von ihm diskutierte<br />
Hörbeleg [ ... ] dann hat er wirklich das Ziel verfehlt halt auf einer IdS-Tagung<br />
von dem bekannten Syntaktiker Werner Abraham mit der Bemerkung<br />
kommentiert wurde, "daß manche Leute eben auch mal falsch sprächen"<br />
(Schindler 1995: 55, Anm. 2). Wolfgang Schindler bemerkt hierzu: "Der Leser<br />
möge beurteilen, ob hier ein Verstoß gegen eine <strong>Syntax</strong>regel wie ,Plaziere<br />
Abtönungspartikeln nur im Mittelfeld' vorliegt oder ob gesprochensprachlich<br />
bestimmte Abtönungspartikeln ohne Regelverstoß ,nachgeliefert' werden<br />
können" (ibid.).<br />
Hinter der nicht selten vorkommenden Einschätzung, daß das, was von<br />
der (welcher?) Norm abweicht, ,Performanzfehler' seien, verbirgt sich ein<br />
doppelter Kompetenzbegriff. Zum einen wird dem Chomskyschen Kompetenzbegriff,<br />
dem ein idealisierter Sprecher und eine idealisierte (interne)<br />
Sprache zugrunde liegen, das Reale und Empirische über die Performanz als<br />
"Abfalleimer" (Ballmer 1976: 27) gegenübergestellt, zum anderen wird der<br />
kompetente Wissenschaftler dem Alltagssprecher und sprachwissenschaftlichen<br />
Laien qua Profession übergeord<strong>net</strong>. Ist letzterer Kompetenzbegriff ein<br />
sprachwissenschaftsexterner - legitimiert sich der Sprachwissenschaftler<br />
nicht gerade dadurch, als er den Gegenstand ,Sprache' vom Alltäglichen,<br />
vom ,laienhaften' Gebrauch distanziert? -, reflektiert der Chomskysche<br />
Kompetenzbegriff eine sprachwissenschaftlich tradierte Dichotomie in<br />
Sprachsystem und Sprachgebrauch, wobei allerdings das Primat von der<br />
internalisierten Sprache impliziert ist. Nach Chomsky (1986: 24f.) sind spezielle<br />
Grammatiken· Theorien über verschiedene I-Ianguages (internalized<br />
languages), die Universalgrammatik ist die Theorie über den initialen Status<br />
So der kognitiven Komponente, der sog. ,language faculty'. Konkrete<br />
Sprachen sind nicht Gegenstand dieser Theorien, sondern die abstrakten<br />
Prinzipien dahinter und die Erklärung von Sprachfähigkeit im Rahmen eines<br />
biologischen Systems.1 Aus einer solchen kognitivistisch und ge<strong>net</strong>isch<br />
basierten Perspektive rücken die konkreten Sprachen und somit das konkrete<br />
Sprechen aus dem Fokus <strong>des</strong> Interesses zugunsten der Frage, nach welchen<br />
biologisch fundierten Basisprinzipien Sprechfähigkeit organisiert ist. Der<br />
Konsequenz, vom direkten Zugang zum <strong>gesprochenen</strong> Wort zu abstrahieren<br />
und letztlich die gesprochene Sprache als Untersuchungsgegenstand völlig