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Syntax des gesprochenen Deutsch - mediensprache.net

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44 Hannes Scheutz<br />

isolierten Einzelsätzen muß hier zwangsläufig zu einer substantiellen<br />

Verkürzung der Analyseperspektive führen - alle (ko-/kon-)textuellen<br />

Funktionen der LV können so nicht erkannt werden; gerade die LV ist jedoch<br />

unbestreitbar in erster Linie ein Phänomen der <strong>gesprochenen</strong> Sprache. Was<br />

diese Konstruktion so auffällig macht, ist der Aufwand an sprachlicher<br />

Formulierung mit expliziter Nennung <strong>des</strong> Referenten und anadeiktischer<br />

Wiederaufnahme ausgerech<strong>net</strong> in einer topologischen Position, in der in der<br />

<strong>gesprochenen</strong> Sprache ansonsten präferiert schwachtonige Anaphern zu<br />

finden sind, die als kohärenzstiften<strong>des</strong> Mittel der engen textuellen<br />

Anbindung an die Vorgängeräußerung(en) dienen. Je unproblematischer eine<br />

Entität gegeben ist (oder aus der Sicht <strong>des</strong> Sprechers gegeben sein sollte),<br />

<strong>des</strong>to weniger sprachliches Material ist notwendig (oder wird als notwendig<br />

erachtet), um auf sie zu referieren. Die LV weicht von einem solcherart<br />

,unmarkierten' Textaufbau signifikant ab; wir haben es ganz offensichtlich<br />

mit einer konversationellen Aktivität oder Prozedur zu tun, die der Aufmerksamkeitssteuerung<br />

dient: Es wird jeweils ein Element aufgerufen, das damit<br />

konversationell ,fokussiert', von einem konversationellen Hintergrund abgehoben<br />

erscheint; dies macht gerade auch die Tatsache augenfällig, daß es -<br />

zumin<strong>des</strong>t im <strong>Deutsch</strong>en ausgerech<strong>net</strong> ein Demonstrativum sein muß und<br />

kein Personalpronomen sein darf, mit dem das vorangestellte Element<br />

wiederaufgenommen wird. Diese deiktische Funktion der Wiederaufnahme<br />

ist bislang, so weit ich sehe, nicht weiter ernst genommen worden (vgL<br />

jedoch Hinweise in Hoffmann 1992). Daß die solcherart gesteuerte<br />

Aufmerksamkeit auch auf Satztopiks gelenkt wird, mag in vielen Fällen<br />

durchaus zutreffen; die Funktionen der LV als konversationelle Ressource<br />

sind jedoch weitaus vielschichtiger. Will man diese Funktionen genauer<br />

erfassen, ist die detaillierte Analyse <strong>des</strong> Gebrauchs von LVn in natürlichen<br />

Gesprächen unerläßlich; dies soll im folgenden ausschnitthaft versucht<br />

werden.<br />

3.2 LV als Mittel der Referenzkonstitution<br />

In der vorangehenden Beschreibung formaler Merkmale der LV wurde die<br />

Bandbreite an unterschiedlich kohäsiven Realisierungen dieses Musters<br />

diskutiert; in der Mehrzahl der Fälle finden sich jeweils unterschiedlich stark<br />

ausgeprägte intonatorische Desintegrationsphänomene. Dies ist ein<br />

deutlicher Hinweis darauf, daß diese Konstruktion nicht als festgefügtes,<br />

prästabiliertes Abfolgemuster /Voranstellung + Anadeixis/ produziert wird,<br />

wie dies etwa das generativ-grammatische Verständnis dieser Strukturen<br />

voraussagen würde, sondern daß bei der Prozessierung dieses Musters<br />

konversationell mehr geschieht - es entspricht in besonderer Weise den<br />

Bedürfnissen und Erfordernissen mündlicher Interaktion. Morphologische<br />

Inkongruenzen und syntaktische Konstruktionsbrüche, Wiederholungen und<br />

Reformulierungen in der ,Scharnierstelle' zwischen vorangestelltem und<br />

wiederaufnehmendem Element spiegeln den Ablauf von Planungs- (und<br />

Umplanungs-)prozessen wider und belegen nachdrücklich die Relevanz

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