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Fibromyalgie – endlich ein Ausweg - m&i-Klinikgruppe Enzensberg

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Wolfgang Hausotter Sozialmedizinische Aspekte der <strong>Fibromyalgie</strong><br />

suggerierende Diagnose „<strong>Fibromyalgie</strong>-Syndrom“, die letztlich auf Deutsch nur „Faser-<br />

Muskel-Schmerz“ bedeutet, ist diesbezüglich ausgesprochen kontraproduktiv.<br />

Die ICD-10 stellt stattdessen für <strong>ein</strong>e diagnostische Klassifizierung den ätiologisch neutralen<br />

Begriff der „anhaltenden somatoformen Schmerzstörung“ (F 45.4) oder auch den der „Somatisierungsstörung“<br />

(F 45.0) zur Verfügung, wodurch k<strong>ein</strong>e – bisher nicht belegbare –Ursache<br />

präjudiziert wird.<br />

Hinter dem Etikett „<strong>Fibromyalgie</strong>“ kann sich <strong>ein</strong> weites Spektrum seelischer Störungen verbergen<br />

und dies ist bei der Begutachtung auch in den meisten Fällen festzustellen. Neben<br />

leichteren Befindlichkeitsstörungen, die früher als „psychovegetatives Syndrom“ bezeichnet<br />

wurden, und gelegentlich auch <strong>ein</strong>em Rentenbegehren findet sich häufig <strong>ein</strong>e somatisierte<br />

Depression im Rückbildungsalter, <strong>ein</strong>e hypochondrische Störung und gar nicht selten auch<br />

<strong>ein</strong>e schwere, <strong>ein</strong>deutig krankheitswertige neurotische Entwicklung, die es sozialmedizinisch<br />

adäquat zu würdigen gilt. Dies ergibt sich aber erst aus <strong>ein</strong>er gezielten psychiatrischen Exploration.<br />

Es ist auch unter dem Aspekt <strong>ein</strong>er chronifizierten Schmerzkrankheit, der ebenfalls<br />

Krankheitswert zugebilligt werden muss, zu explorieren. Diese sozusagen hinter der Bezeichnung<br />

<strong>Fibromyalgie</strong> stehenden Krankheitsbilder sind für die Begutachtung von Bedeutung<br />

und können sehr wohl zur Annahme <strong>ein</strong>er auch schwerwiegenden rentenrelevanten<br />

Leistungsminderung führen.<br />

Aus sozialmedizinischer Sicht sollte, wie bei anderen funktionellen Störungen, grundsätzlich<br />

versucht werden, möglichst lange <strong>ein</strong>e berufliche Eingliederung anzustreben bzw. aufrechtzuerhalten.<br />

Bei langjährigem Krankheitsverlauf und gescheiterten umfassenden Therapiemaßnahmen<br />

wird letztlich <strong>ein</strong>e Berentung nicht zu vermeiden s<strong>ein</strong>. Es sollte jedoch in jedem<br />

Einzelfall <strong>ein</strong>e kritische Abwägung erfolgen. Das „moderne Leiden“ <strong>Fibromyalgie</strong> darf nicht<br />

kritiklos zur Begründung <strong>ein</strong>es aufgehobenen Leistungsvermögens oder der Erlangung des<br />

Schwerbehindertenstatus benützt werden.<br />

Unter gutachtlichen Aspekten ist die <strong>Fibromyalgie</strong> k<strong>ein</strong>e objektivierbare Krankheit, sondern<br />

nur die Benennung <strong>ein</strong>es subjektiven Beschwerdekomplexes. Entscheidend für die sozialmedizinische<br />

Beurteilung ist die Frage: Was steckt dahinter? Besteht <strong>ein</strong>e relevante körperliche<br />

oder seelische Erkrankung, die das Schmerzsyndrom erklären kann? Davon hängt es<br />

ab, ob <strong>ein</strong>e Leistungsminderung begründet werden kann.<br />

Der Gutachter hat die Verpflichtung zur strikten Neutralität und Objektivität. Er sollte weder<br />

den <strong>ein</strong>seitig ausgerichteten Vorstellungen des Probanden und s<strong>ein</strong>er Selbsthilfegruppen<br />

nachgeben noch in die ebenso <strong>ein</strong>seitig orientierten Vorstellungen mancher Kollegen verfallen,<br />

dass es k<strong>ein</strong>e Leistungsminderung geben darf, wenn Labor und Röntgen unauffällig<br />

sind. Diese Einseitigkeit ist nicht minder gefährlich als die unkritische Anerkennung. Der sozialmedizinische<br />

Gutachter muss sich beide Standpunkte vergegenwärtigen und in jedem<br />

Einzelfall s<strong>ein</strong> Votum kritisch abwägen.<br />

m&i-Fachklinik <strong>Enzensberg</strong> | Interdisziplinäres Schmerzzentrum<br />

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