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PDF zum Download - Tim Boson / Condor

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<strong>Tim</strong> <strong>Boson</strong>:<br />

Ich verstehe, was Sie meinen: In der ›Geschichte des Glasperlenspiels‹, sicher einem Ihrer<br />

wichtigsten Bücher, erklären Sie die moderne PHYSIK als ein Regelwerk allerorts dominierender<br />

Paradigmata. Die fallen indes nicht direkt vom Himmel, sind eher ‚Ausgießungen’ des<br />

Hl. Geistes der Logik und Rationalität. Oder auf den Punkt gebracht: Paradigmata sind für Sie<br />

- kurz & knackig und ganz im Sinn der ›Ironic Science‹ - die »Lehren der Sieger«.<br />

TSWS:<br />

Die ´Sieger` aber gehören zu jenem Establishment je in Religion, Gesetzgebung und Wissenschaft,<br />

das sich seit der Aufklärung – dem Zeitalter der Kritik, der sich lt. I. Kant „Alles unterwerfen<br />

muss“ – eben jener Kritik entziehen will. Mit gewiss fatalen Folgen für die ganze<br />

institutionalisierte Wissenschaft.<br />

<strong>Tim</strong> <strong>Boson</strong>:<br />

Das scheint mir denn doch auf einen ‚Knackpunkt’ der Wissenschaftshistorie hinzudeuten.<br />

Können Sie auf diesen Aspekt etwas näher eingehen?<br />

TSWS:<br />

Kant hatte einen bedeutenden Vorgänger – Christian Wolff (1679–1754), deutscher Philosoph,<br />

Universalgelehrter, Jurist und Mathematiker. Der rekurrierte zur Bestimmung des Wesens<br />

der Aufklärung auf einen Freiheitsbegriff, der dem Konfuzianismus (in der lateinischen<br />

Übersetzung von 1711) entstammte (sic). Allerdings in der Ausprägung, wie sie erst lang<br />

nach Konfuzius unter Einbeziehung jetzt auch der menschlichen Natur durch den großen Philosophen<br />

Mengzi (*370 − † 290 v. u. Z.) gelang. Wolff interpretierte Mengzi sinngemäß so,<br />

wie sich Jahre später Madame de Staël in ihrer oft zitierten Phrase von der „Emanzipation des<br />

Geistes von den Institutionen“ ausdrückte. In seiner Rede als Prorektor der Universität Halle<br />

von 1721 über die "Praktische Philosophie der Chinesen" forderte Wolff folgerichtig die<br />

Freyheit zu philosophieren, [die im] ungehinderten Gebrauche seines Verstandes besteht. [Ist man hingegen]<br />

gehalten, etwas für wahr zu halten, weil es ein anderer sagt, dass es wahr sey, so ist man in der philosophischen<br />

Sklaverey. (H. Roetz; zit. SZ vom 11.04.2011, S. 11).<br />

Seine Gegner aus dem lutherischen Pietismus beschuldigten Wolff daraufhin des Atheismus;<br />

Der Bochumer Sinologe Heiner Roetz markierte dazu in einem SZ-Beitrag den Schlusspunkt:<br />

Seine Rede trug ihm den Verlust seines Lehrstuhls in Halle und die Verweisung aus Preußen ein. (dto.).<br />

<strong>Tim</strong> <strong>Boson</strong>:<br />

Sofern ich Sie richtig verstehe, wollen Sie den Lesern und mir vermitteln, dass das Establishment<br />

der Scientific Communities auch heute in vergleichbaren Fällen – d. h. bei der frechen<br />

´Anmaßung`, „die Freiheit des eigenen Urteils einzufordern“ (dto.) – sich genau so verhält,<br />

wie vor fast 300 Jahren? Wie Sie bereits im Fall des Journal für Naturforschung beispielhaft<br />

belegt haben, muss wohl <strong>zum</strong>indest der einzelne Wissenschaftler mit Sanktionen rechnen!<br />

TSWS:<br />

Ja, so ist das! Pseudo-modern ausgedrückt: Solcherart Sanktionen sind offensichtlich systemimmanent<br />

und laufen nach bewährtem Muster ab. Im Kontext unseres Gesprächs verweisen<br />

die ihnen zugrunde liegenden Paradigmata allerdings auf eine ganz andere Funktion. Denn<br />

das für die Sanktionen verantwortliche wissenschaftliche Establishment ist stets mit den vorherrschenden<br />

politischen Kräften verbandelt. Innerhalb dieses Bündnisses wirken die Paradigmata<br />

dann als ein Katalog von ‚Normen’ und bilden aus der Sicht des Establishments erfahrungsgemäß<br />

einen Stabilisierungsfaktor für die Scientific Community.<br />

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