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PDF zum Download - Tim Boson / Condor

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gar nicht notwendig: Ein Mathematiker empfindet die Schönheit eines Beweises, ein Chemiker spricht<br />

von einer eleganten Prozedur, wenn er einen Stoff auf geschickte Weise isoliert. Berühmte Physiker haben<br />

davon gesprochen, daß eine Gleichung sie gepackt hat – bevor sie die Formeln durchgerechnet haben. Es<br />

geht hier um eine Art der Wahrnehmung. Sie ist trainierbar, (...).<br />

FOCUS: Brauchen Wissenschaftler mehr Gefühl?<br />

Fischer: Ich empfehle, das Gefühl ernst zu nehmen – nicht nur bei der Erkenntnissuche, sondern auch, um<br />

den Wert einer Sache zu erkennen. Und dieses Gefühl entsteht eben nur aus der Wahrnehmung. Das Fehlen<br />

dieses Erlebens hat… der heutigen Wissenschaft auch einige ihrer ethischen Probleme beschert. (...).<br />

FOCUS: Viele Physiker sagen: Es geht nicht um das Verstehen oder die Anschaulichkeit einer Formel,<br />

sondern darum, sie in Messungen zu bestätigen und sie anzuwenden.<br />

Fischer: Das wäre eine armselige Physik. Die nackten Zahlen sind doch langweilig. Formeln sind Zeichen,<br />

die ich als Symbole deuten und mir so einen Zugang zur Welt verschaffen kann. Die Menschen wollen<br />

doch von den Wissenschaftlern keine mathematische Erklärung, sondern ein wahrnehmbares Weltbild.<br />

FOCUS: Kann das die moderne Physik überhaupt noch leisten?<br />

Fischer: Ich glaube, daß auch die Physik kommunizierbar ist. Aber man muss offenbar nach neuen Formen<br />

suchen. (...). Ein Beispiel sind die fraktalen Bilder, die jeder Computer aus den Gleichungen der<br />

Chaostheorie generieren kann: Die Mathematik versteht kein Laie, aber die Komplexität der Fraktale kann<br />

sich jeder Betrachter über sein ästhetisches Empfinden erschließen. (...).<br />

<strong>Tim</strong> <strong>Boson</strong>:<br />

Ich hoffe, die Problematik des Ästhetikbegriffs in der ‚harten’ Naturwissenschaft ist den Lesern<br />

hinreichend deutlich geworden. Wie in der Kunst sind nicht nur in Europa wohl auch in<br />

den Wissenschaften ästhetische Kriterien für kreative Entwicklungen & Fortschritte relevant.<br />

Im alten Griechenland gab es ja schon früh den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Geometrie<br />

und Kunst; man denke nur an die Proportionslehre für die Sakralbauten der Antike.<br />

Sogar für die Astronomie spielten die Zahlen- und Proportionslehren in allen ästhetischen<br />

Vorstellungen für das Schöne und Harmonische eine große Rolle. Man denke z. B. nur an die<br />

erstaunliche Originalität jungsteinzeitlicher Bauwerke, die als Stonehenge weltberühmt sind,<br />

oder auch an die Esoterik der Pythagoräer.<br />

TSWS:<br />

Ihre Ergänzung ist sicher hilfreich, weil Ihre Beispiele eine unmittelbar einleuchtende Erläuterung<br />

des von Professor Fischer geprägten Ausdrucks „Schönheit der Maxwell-<br />

Gleichungen“ bieten. Dadurch bleibt mir erspart, diesen Satz aus vier mathematischen Basisrelationen<br />

und drei Verknüpfungsgleichungen in ihrer für viele Leser eher unbekannten Kompaktschreibweise<br />

hier darlegen zu müssen. Vorenthalten möchte ich indes den Lesern nicht,<br />

wie sich ein Autor (Philipp Wehrli, 2005) über die „sehr schöne symmetrische Form der<br />

[Heaviside-Maxwell-]Gleichungen“ äußert: „Schön daran ist, dass nur so wenige Buchstaben<br />

vorkommen, dass diese sehr symmetrisch verteilt sind und dass sie aus vorher völlig verschiedenen<br />

Gebieten der Physik stammen“. Ästhetik vor Wahrheit?<br />

Dass sich Heaviside nach dem Tod Maxwells (1879) dazu entschloss, dessen letzten Willen<br />

zu ignorieren, hängt mit zwei fundamentalen Eigenschaften speziell der originalen Maxwellschen<br />

Gleichungen zusammen: Sie gaben dazu Anlass,<br />

(i) sichtbares Licht als elektromagnetisches Phänomen zu postulieren unabhängig<br />

von jeglicher Bewegung der Lichtquelle und der eines Beobachters: Einsteines<br />

Spezielle Relativitätstheorie lässt grüßen! Und sie erlaubten<br />

(ii) die Beschreibung der Gesetzmäßigkeiten von den damals noch hypothetischen<br />

elektromagnetischer Wellen – z. B. die Berechnung von deren „mathematisch<br />

errechneter Fortpflanzungsgeschwindigkeit“ v.<br />

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