PDF zum Download - Tim Boson / Condor
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TSWS:<br />
Um diesen grundlegenden und für die heutige Physik nach wie vor akuten Konflikt zwischen<br />
diesen drei Mandarinen Napoleons besser zu verstehen, muss ich zunächst einige kurze Anmerkungen<br />
zu Fouriers Bedeutung für die Naturwissenschaften machen: Im Jahr 1807 gewann<br />
er den Preis der Académie des Sciences für seine Abhandlung über die Ausbreitung der<br />
Wärme in isotropen Festkörpern. Fouriers klassisches Resultat war einfach & elegant: Der<br />
Wärmefluss ist dem Temperaturgradienten proportional. Es ist ein universelles Gesetz, das für<br />
Festkörper, Flüssigkeiten & Gase gilt. Nur der Proportionalitätskoeffizient – die Wärmeleitzahl<br />
– ist für die jeweilige Substanz spezifisch temperatur- & druckabhängig. Für nichtisotrope<br />
Materialen wird er zudem richtungsabhängig.<br />
Als das Fouriergesetz aufgestellt wurde, dominierte in den mathematischen Naturwissenschaften<br />
die mechanistische Schule von Laplace – oft bezeichnet als der ‚Zweite Newton’. Er,<br />
aber auch Lagrange und deren Schüler versuchten über 15 Jahre, die Veröffentlichung des aus<br />
Fouriers Preisschrift hervorgegangenen Hauptwerks Théorie analytique de la chaleur (1822)<br />
zu verhindern. Warum? I. Prigogine & I. Stengers (1986, S. 112f) verweisen auf die Folgen<br />
dieses Werks:<br />
Es gab nun eine physikalische Theorie, die mathematisch ebenso streng war wie die mechanischen<br />
Bewegungsgesetze und dennoch mit der Newtonschen Welt absolut nichts gemein hatte. Mathematische<br />
Physik war nicht mehr gleichbedeutend mit der Newtonschen Wissenschaft.<br />
Das durfte nicht sein. Aber die Fakten zeigten: Für einen isolierten Körper mit einer inhomogenen<br />
Temperaturverteilung beschreibt Fouriers Gesetz den Trend <strong>zum</strong> thermischen Gleichgewicht.<br />
Unumkehrbar! Das war neu.<br />
Natürlich war längst bekannt, dass es sich dabei um einen irreversiblen Vorgang handelt. Die<br />
Wärmeleitung wurde damit <strong>zum</strong> neuralgischen Ausgangspunkt der theoretischen Erforschung<br />
von IRREVERSIBILITÄT in der Physik. Das war nicht selbstverständlich, weil die damit befassten<br />
Physiker in den Bewegungsgleichungen der Kontinuumsmechanik mit der Viskosität<br />
schon lange auf Einflussfaktoren rekurrierten, die auf irreversible Prozesse innerhalb des<br />
Strömungsfeldes hindeuteten. Aber wie sie quantitativ zu erfassen, gar physikalisch zu verstehen<br />
seien, davon waren sie weit entfernt: Viskosität war eine empirisch zu ermittelnde Materialkonstante<br />
– ein Standard, der cum grano salis heute noch zutrifft!<br />
<strong>Tim</strong> <strong>Boson</strong>:<br />
Aus Ihren Andeutungen entnehme ich, dass Sie mit einem schwerwiegenden methodologischen<br />
Problem der Physik ‚hinter dem Berg halten’. Da z. B. die Navier-Stokes Bewegungsgleichungen<br />
in der Form von Jean Claude de Saint-Venant (1843) in Ihrer NASA-Story eine<br />
Rolle spielen, sollten Sie Ihre Zurückhaltung aufgeben und einige klärende Anmerkungen zu<br />
diesem Problem machen.<br />
TSWS:<br />
Das von Ihnen fixierte methodologische Problem berührt das mechanistische Weltbild unmittelbar.<br />
Lt. Falk (1990, S. 130)<br />
versuchen die „Mechaniker“ das Wärmephänomen begrifflich ähnlich zu fassen wie den Bewegungsvorgang,<br />
nämlich als zeitlichen Selbstablauf eines physikalischen Geschehens. .. Die Mechanik<br />
sieht das Grundproblem darin, die Lageänderung eines als Individuum verfolgbaren Körpers<br />
[- verursacht durch eine Feldkraft F -] zu fassen, indem der Ort r des Körpers als Funktion<br />
der Zeit t, also die Funktion r(t) durch ein mit Hilfe von Differentialgleichungen formuliertes allgemeines<br />
Gesetz festgelegt wird.<br />
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