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zugeben. Aber die großen Städte sind so ganz von selbst herangewachsen,<br />

die Leute sind ganz freiwillig hineingezogen, und der Schluß, daß einzig<br />

die Industrie und die von ihr profitierende Mittelklasse diese großen Städte<br />

geschaffen habe, hegt so fern, daß es der herrschenden Klasse gar zu leicht<br />

einfallen muß, alles Unheil auf diese anscheinend unvermeidliche Ursache<br />

zu wälzen - wo doch die großen Städte nur dem wenigstens im Keime schon<br />

existierenden Unheil eine schnellere und reifere Entwicklung geben können.<br />

Alison ist wenigstens noch so human, daß er dies anerkennt - er ist kein vollständig<br />

ausgebildeter, industrieller und liberaler, sondern nur ein halbentwickelter,<br />

torystischer Bourgeois und hat deshalb hie und da offne Augen,<br />

wo die wahren Bourgeois stockblind sind. Ihn wollen wir hier reden lassen:<br />

„Es ist in den großen Städten, daß das Laster seine Versuchungen, die Wollust<br />

ihre Netze ausbreiten, daß die Schuld durch die Hoffnung der Straflosigkeit und die<br />

Trägheit durch häufiges Beispiel angespornt wird. Hieher zu diesen großen Stapelplätzen<br />

menschlicher Verdorbenheit fliehen die Schlechten und Liederlichen von der<br />

Einfachheit des Landlebens, hier finden sie Opfer für ihre Schlechtigkeit und Gewinn<br />

als Lohn für die Gefahren, in die sie sich begeben. Die Tugend wird in Dunkelheit gehüllt<br />

und unterdrückt, die Schuld reift in der Schwierigkeit der Entdeckung, Ausschweifungen<br />

werden durch unverzüglichen Genuß belohnt. Wer bei Nacht durch<br />

St. Giles, durch die engen gedrängten Gäßchen von Dublin, die ärmeren Viertel von<br />

Glasgow geht, wird dies bestätigt finden, wird sich nicht wundern, daß soviel, sondern<br />

daß sowenig Verbrechen in der Welt ist ... Die große Ursache der Verderbtheit der<br />

großen Städte ist die ansteckende Natur des bösen Beispiels und die Schwierigkeit,<br />

der Verführung des Lasters aus dem Wege zu gehen, wenn sie in nahe und tägliche<br />

Berührung mit der heranwachsenden Generation gebracht werden. Die Reichen sind<br />

eo ipso 1 nicht besser, auch sie können in derselben Lage der Versuchung nicht widerstehen;<br />

das besondre Unglück der Armen ist, daß sie überall den verlockenden Gestalten<br />

des Lasters und den Verführungen verbotner Genüsse begegnen müssen ... Die<br />

erwiesene Unmöglichkeit, die Reize des Lasters vor dem jüngern Teile der Armen in<br />

großen Städten zu verbergen, ist die Ursache der Demoralisation."<br />

Nach einer längeren Sittenschilderung fährt unser Autor fort:<br />

„Alles das kommt nicht von außerordentlicher Depravation des Charakters, sondern<br />

von der fast unwiderstehlichen Natur der Versuchungen, denen die Armen ausgesetzt<br />

sind. Die Reichen, die das Betragen der Armen tadeln, würden dem Einfluß<br />

ähnlicher Ursachen wohl ebenso rasch nachgeben. Es gibt einen Grad des Elends,<br />

ein Sich-Aufdrängen der Sünde, denen entgegenzutreten die Tugend selten fähig ist<br />

und der besonders die Jugend gewöhnlich nicht widerstehen kann. Der Fortschritt des<br />

Lasters in solchen Umständen ist fast so gewiß und oft ebenso rasch wie der der<br />

physischen Ansteckung."<br />

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