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Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht

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111 Psalm 22.<br />

Ich aber bin ein Wurm <strong>und</strong> kein Mensch, ein Spott der Leute, <strong>und</strong> Verachtung des Volks.<br />

Das sind abenteuerliche, seltsame Worte. Christus muß in der Welt sein nicht ein Mensch, das ist:<br />

Alle Menschen, je gottloser sie sind, je weiser <strong>und</strong> gewaltiger <strong>und</strong> frömmer sind sie; 217 Christus aber<br />

<strong>und</strong> die Seinen müssen nicht Menschen sein, man hält sie bloß für gemalte Leute. Und wie man<br />

einen Regenwurm zertritt, so zertritt man ihn auch (Ich bin ein Wurm). Also heißet man unseres<br />

Herrn Gottes Werke, Söhne <strong>und</strong> Kinder; es hat aber gar kein Ansehen vor der Welt.<br />

Ein Spott der Leute, <strong>und</strong> Verachtung des Volks.<br />

Also, wenn man einen schändlich will nennen, so heißt man ihn einen Christen, wie jetz<strong>und</strong> auch<br />

mein Name ist. Sie stecken mich ans Kreuz, spricht er, wie man ein Würmlein an die Angel stecket.<br />

So habe ich auch keinen Namen, sondern mein Name heißt Spott <strong>und</strong> Verachtung, das ist meine<br />

Ehre; so ist er aufs Höchste verachtet. Und ist dies nun die Klage seines Leidens, das er in seinem<br />

Herzen erlitten hat. In den folgenden Versen fähret er herum, <strong>und</strong> sagt von dem äußerlichen, endlich<br />

auch von den leiblichen Leiden <strong>und</strong> Schmerzen, daß er ganz <strong>und</strong> gar von aller Macht gekommen<br />

sei.<br />

Alle, die mich sehen, spotten mein. 218<br />

Auf das höchste Leiden folgt die Lästerung der Widersacher. Denn so sagen dieselben: Siehe da,<br />

hab ich’s nicht zuvor gesagt? Also straft ihn unser Herr Gott! Darüber wird das Kreuz schwerer; <strong>und</strong><br />

über das, daß er fühlet, daß er von Gott verlassen sei, treiben noch über ihm seine Feinde ihr<br />

Frohlocken.<br />

Sperren das Maul auf, <strong>und</strong> schütteln den Kopf.<br />

Awe ja, bist du der Mann dazu, der alle Welt kannst strafen? Ich meine, du habst’s.<br />

Er klage es dem Herrn, der helfe ihm aus, <strong>und</strong> errette ihn, hat er Lust zu ihm.<br />

Das ist so ein bitterer Spott <strong>und</strong> Hohnsprechen, daß es nicht bitterer könnte sein, <strong>und</strong> sind solches<br />

eigentlich des Teufels Worte, wie im Evangelio: Er hat Gott vertrauet, der helfe ihm; daß also<br />

der vermessene Sieg der Widersacher <strong>und</strong> ihr sicheres Rühmen bei einander ist. Denn die Stücke<br />

gehören aufeinander: das höchste Leiden, <strong>und</strong> danach Verachtung <strong>und</strong> Lästerung, Frohlocken <strong>und</strong><br />

Jubilieren der Widersacher. Dies ist der erste Teil des Psalms, nämlich die Klage, was er leiden müsse,<br />

als, Verlassenheit <strong>und</strong> Einsamkeit, dergleichen keine andere sei, Lästerung <strong>und</strong> Frohlocken seiner<br />

Feinde.<br />

Denn du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen.<br />

Er hebet hier an, sich zu trösten, hat aber keinen Trost von außen um sich, sondern muß sich allein<br />

durchschlagen, <strong>und</strong> ergreifet unsern Herrn Gott ein wenig <strong>und</strong> spricht: Ich habe mich ja nicht<br />

selber gemacht, das weiß ich wohl, es ist ja kein Mutwille, noch mein Getriebe oder Sache, es ist<br />

deine Sache. Wenn einer das kann, nachsagen, so stehet’s wohl; weil es aber meine Not heißet, so<br />

muß Zagen da sein. Wenn ich aber also sage: Das tue ich durchaus <strong>und</strong> bloß dem Befehl Gottes<br />

nach; so folget: Darum wird sich auch Gott deiner annehmen <strong>und</strong> dich schützen. So haben wir jetzt<br />

zu Augsburg uns auch trösten müssen. 219 Solches saget er aber mit vielen Worten: Ist es doch gar<br />

deine Sache, was bin ich?<br />

217 Alle Menschen, je gottloser sie sind, desto weiser, gewaltiger <strong>und</strong> frömmer sind sie.<br />

218 13. September.<br />

219 Augsburg 1530.

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