Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht

Psalm 19. 194
Dieser Psalm ist davon, wie das Evangelium durch die ganze Welt soll geoffenbart und ausgebreitet
werden. Und haben ihn die Lehrer vor Zeiten auf mancherlei Weise ausgelegt, einer so, der
andere anders. Das ist aber der Inhalt, daß das Evangelium augenscheinlich sei offenbart, überall,
wo der Himmel, Tag, Nacht, Rede, Erde und der Welt Ende sei, daß das Evangelium so weit sei
gangen, als Himmel und Erde ist, und sei nicht gepredigt etwa an einem Winkel, heimlich, sondern,
wie Paulus sagt, Kol. 1, vor der ganzen Kreatur; und Christus: Gehet und prediget das Evangelium
allen Kreaturen, das den ganzen Weltkreis erfüllen soll.
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes.
Das ist, die, so unter dem Himmel wohnen; unter dem ganzen Himmel, wo Leute sind, da höret
man das Evangelium predigen. Das Wort סZפmר heißt im Hebräischen predigen, öffentlich erzählen
und reden. Die Himmel sind Prediger.
Und ist demnach dieser Vers eine sehr schöne Beschreibung, was das Evangelium sei; mit dem,
daß er sagt, daß die Himmel Gottes Ehre erzählen. Denn das Evangelium ist nichts anders denn ein
Lob und Ruhm Gottes. Denn es werden darin nicht gemeldet oder gepredigt unser Vornehmen und
Werke, sondern unsere Sünden, Schaden und Schmach; wie Christus spricht: Der Heilige Geist wird
die Welt strafen um die Sünde, Joh. 16. Denn es machet der Welt Ehre zunichte, und saget, daß wir
allein durch das Blut Christi selig, und erlöst worden sind. Und hat mir dieser Vers allzeit Wohlgefallen
um dieser Definition und Beschreibung des Evangelii willen. So spricht auch Paulus: Zu Lob
seiner herrlichen Gnade, Eph. 1. Item: Das Evangelium der Herrlichkeit Christi; nicht des freien
Willens, denn es verwirft und verdammt alle Werke der Menschen und lobet Gott allein.
Und die Feste verkündiget seiner Hände Werk.
Die Werke seiner Hände, nicht der Menschen Werke, welche es verdammet. Feste heißet, wo der
Himmel ist, oder der ganze Himmel. Ein anderer Himmel ist zu Jerusalem, ein anderer zu Rom.
Nun ist aber jener sowohl als dieser in der Feste, und dafür brauchet auch Moses fast überall das
Wort Feste. So saget nun David: Was nur Sterne siehet, wird des Evangelii gewahr.
Ein Tag sagt’s dem andern, und eine Nacht tut’s kund der andern.
Wie er im ersten Vers sagt, nicht allein im jüdischen Lande und zu Jerusalem, also auch hie:
Nicht allein auf den Sabbat wird das Evangelium gepredigt, als wäre es daran gebunden, sondern
alle Tage, von Tag zu Tage, einen Tag um den andern. Man predigt die Reden und Verheißungen 195
alle Tage, und nicht, wie im Alten Testament, auf den Sabbat allein. Es wird über alle Örter und Zeiten
fallen, das Evangelium wird alle Örter und Zeiten füllen. Das muß ja eine große, herrliche Predigt
sein. Daß er aber den Morgen und Abend nennet Tag und Nacht, ist nach hebräischer Art gesagt;
denn um dieselbige Zeit pflegte man zu beten. Gleichwie aber Zeit und Art überall insgemein
verstanden wird, also werden auch die Personen ingemeinhin von allen Menschen verstanden.
Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre.
In allen Sprachen wird man das Evangelium predigen, nicht in einer allein. Ihre Stimme, das ist,
der Himmel Stimme. Unter den Worten Sprache und Rede halte ich keinen sonderlichen Unterschied,
wiewohl das eine also stehet, als sei es zu verstehen von mancherlei Art in einer Sprache.
Man soll das Evangelium auf deutsch, sächsisch, bayrisch, schwäbisch usw. predigen.
194 27. Juni ausgelegt.
195 Denn das heißt es eigentlich (Anmerkung Luthers).