Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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7 Historischer Vorbericht.<br />
Erbsünde, über die Wirkungsweise der Sakramente <strong>und</strong> die Zeremonien hätte er wohl durch die Finger<br />
gesehen. Aber daß Zwingli, <strong>und</strong> nun gar Bucer <strong>und</strong> die Straßburger mit der Abendmahlslehre<br />
gerade jetzt ihm Opposition machten, weckte die höchste Erbitterung. Daß also Zwingli mit der „Fidei<br />
Ratio“ <strong>und</strong> Bucer mit dem „Vier-Städtebekenntnis“ auf dem Reichstag hervortraten, mußte die<br />
gute Sache nach der Meinung der Wittenberger nur schwächen, nach der Meinung <strong>Luthers</strong> war ihr<br />
Beginnen ein ganz unverantwortliches 21 <strong>und</strong> tadelnswertes.<br />
Was Zwingli persönlich anbelangt, so war <strong>und</strong> blieb er Luther immer fremd; dieser sah ihn nur<br />
durch die Medien Carlstadt <strong>und</strong> Bucer. Er hat kaum viele Schriften von Zwingli gelesen, außer den<br />
Streitschriften <strong>und</strong> der mit einigem Ungeschick verfaßten Fidei Ratio, die ihm Melanchthon zuzusenden<br />
versprach. Das meiste hatte er sonst vom Hörensagen.<br />
Bucer war der eigentliche nequam, wie Luther ihn ehedem in Marburg einmal nannte („tu es nequam“).<br />
Seine nicht immer lautere Kampfestaktik im Abendmahlsstreit mußte Luther empören. Die<br />
neuerdings von Professor W. Walter 22 nachgewiesene versteckte Änderung der Abendmahlslehre im<br />
lateinischen Psalter Bugenhagens durch den Übersetzer Bucer erregte schon damals das allgemeinste<br />
Aufsehen <strong>und</strong> wurde alsbald nach Gebühr gerügt. Auch seine spätere Taktik Luther gegenüber<br />
auf der Koburg ließ an Aufrichtigkeit zu wünschen übrig. Es kam ihm hauptsächlich darauf an, für<br />
die angestrebte Union im Abendmahl eine geschickte Formel zu finden, bei der dafür gehalten werde,<br />
Luther habe nichts nachgelassen. 23 Der Eindruck, den er um diese Zeit auf Luther machte, äußert<br />
sich in einem Brief an Melanchthon vom 11. September, in welchem er dem Bucer <strong>und</strong> Genossen<br />
Schalkheit <strong>und</strong> Täuscherei vorwarf. Diesen Eindruck ermäßigte zwar Bucer durch seinen Besuch<br />
am 25. <strong>und</strong> 26. September, ohne daß es ihm gelang, den Abendmahlsstreit zum Abschluß zu bringen.<br />
Immerhin wurde hier ein Band geschlungen, an welches später Bucer selbst, dann Bullinger<br />
<strong>und</strong> Calvin anknüpfen konnten mit besserer Hoffnung auf Erfolg.<br />
Der Streit um das Abendmahl tritt wie ein Verhängnis in den friedlichen Hof der Reformationszeit<br />
hinein, – ein Erisapfel, vom Teufel geworfen. Daß in diesem Streit sich die Geister geschieden<br />
haben, oder Zwinglis anderer Geist von demjenigen <strong>Luthers</strong>, das können wir nicht behaupten. Es ist<br />
ein Erisapfel, den Feinden zur Freude, den Fre<strong>und</strong>en der guten Sache zur Beschämung. So hat man<br />
später im Kampf gegen die sogenannten Melanchthonianer den Namen Calvins, noch später<br />
schlechtweg seine Prädestinationslehre als Kampfmittel gebraucht, um Brüder zu scheiden, die nie<br />
hätten geschieden werden sollen. Man überhob sich damit des mühevollen Eingehens auf den Gegner<br />
<strong>und</strong> meinte von vornherein recht zu haben, wenn man sich nur mit großen Gewährsmännern <strong>und</strong><br />
reformatorischen Namen decken konnte. – Hinc illae lacrimae.<br />
Wir lassen uns also durch <strong>Luthers</strong> gelegentliche Zornesausbrüche gegen Bucer <strong>und</strong> Zwingli nicht<br />
die Freude an seiner <strong>Psalmen</strong>auslegung trüben, besonders, da es feststeht, daß einer der gewaltigsten<br />
Ausfälle gegen Bucer in seiner Schrift: „Daß diese Worte Christi (Das ist mein Leib) noch feste<br />
stehen“ vom Jahre 1527, 24 unter seiner Zulassung später getilgt wurde. Daß endlich Luther um das<br />
Jahr 1537 mit den Zürchern fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> auch brieflich verkehrte, ist bekannt.<br />
Was nun den Augsburger Reichstag betrifft, so sah Luther in demselben anfangs noch einen Tag<br />
des Heils, welchen Gott der Gesamtkirche anbot. Daher stammt der gute Mut, womit er in seiner<br />
21 Brief <strong>Luthers</strong> an Jonas, 21. Juli 1530, Enders VIII, 134. Luther meint hier die im Text genannten beiden Bekenntnisse<br />
Zwinglis <strong>und</strong> Bucers.<br />
22 Vgl. N. K. Z. Erlangen 1896, S. 794, 919-27.<br />
23 Köstlin II, 248.<br />
24 Vgl. „Letzte Unterredung <strong>Luthers</strong> <strong>und</strong> Melanchthons über den Abendmahlsstreit“. <strong>Dr</strong>. J. Haußleiter, N. K. Z. Erlangen,<br />
IX. 11.