Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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99 Psalm 19.<br />
verborgenen Fehlen. Ein jeder, der das Evangelium hat, wird sicher; darüber wird der Geist immer<br />
allmählich lässig <strong>und</strong> faul, <strong>und</strong> verlieret sich der Glaube, also, daß man nicht wacker ist, auszurotten<br />
die übrigen Sünden. Das ist aber fein zu wissen, daß die Gerechten noch Sünder sind. In Sünden<br />
stecken ist gefährlich, nicht darin stecken ist auch gefährlich. Darum lasset uns beten, wie hier der<br />
Prophet tut, wider die übrigen Sünden, die uns aufs listigste nachschleichen, daß uns Gott dieselben<br />
nicht wolle zurechnen: denn wir werden nimmer rein; gleich wie sie in der Epistel zu den Hebräern<br />
Kap. 12 eine schwere, anklebische Sünde <strong>und</strong> eine Last, die uns herabzieht <strong>und</strong> fest anklebt, genennet<br />
wird.<br />
Bewahre auch deinen Knecht vor den Stolzen, daß sie nicht über mich herrschen.<br />
Zuvor hat er gebeten wider das heimliche, hie bittet er wider das offene Nachstellen, darinnen es<br />
denn der Teufel auch bunt genug macht. Darum ist hier auch ein klarer Text, daß ein Lehrer außer<br />
dem Evangelio auch stolz ist. 203 Es hat einer genugsam zu schaffen für sich, daß er bleibe ohn Vermessenheit.<br />
Da kommen denn dazu die Ketzer <strong>und</strong> machen ihre übrige Sünde lebendig; da findet<br />
der Teufel das Bad bereit. Darum saget er: behüte mich vor denen, die ihre Ehre suchen unter dem<br />
Schein der Ehre Christi, wie heutigestags die Papisten. Er sagt aber: Bewahre; als wollte er sagen:<br />
Ich kann denken, ich werde nicht unangefochten bleiben; aber, lieber Herr Gott, wehre du, daß sie<br />
mir nicht über den Kopf wachsen, daß sie nicht gewinnen, <strong>und</strong> mich nicht verführen auf ihre Ehre:<br />
so hat’s keine Not. 204<br />
So werde ich ohne Wandel sein.<br />
Nämlich, wenn ich also von dem innerlichen <strong>und</strong> äußerlichen Nachschleichen der Sünde <strong>und</strong> des<br />
Irrtums verwahret bleiben werde.<br />
Und unschuldig bleiben großer Missetat.<br />
Ich werde alsdann, will er sagen, losgesprochen sein vor Gott, <strong>und</strong> als ein Unschuldiger gehalten<br />
werden. 205 Welcher derhalben in Christo nicht bleiben wird, der fällt in eitel greuliche, scheußliche<br />
Laster, Hochmut, Stolz, Lügen, Lästerung usw. <strong>und</strong> das heißt er die größte Missetat; als wollte er<br />
sagen: Sonst ist des Übertretens kein Maß, es ist sonst eine Übertretung <strong>und</strong> Missetat über die andere.<br />
Also aber werde ich vollkommen sein, 206 wenn du mir deine Gnade <strong>und</strong> Barmherzigkeit zurechnest,<br />
<strong>und</strong> mir schenkest deinen Heiligen Geist. Und wenn wir nun also sind, so können wir auch danach<br />
recht predigen; wie er weiter sagt:<br />
Laß dir Wohlgefallen die Rede meines M<strong>und</strong>es.<br />
Was ich dann predige <strong>und</strong> lehre, das wird köstlich werden; wie im Evangelio stehet, Apg. 1. Er<br />
fing an zu tun <strong>und</strong> zu lehren; <strong>und</strong> Jeremias rühmet von seiner Predigt auch also.<br />
Und das Gespräch meines Herzens vor dir.<br />
Was ich alsdann reden werde, spricht er, das laß dir angenehm sein.<br />
203 Omnis doctor extra evangelium est superbus im Original.<br />
204 Ps. 119,115.<br />
205 Unschuldig gehalten werden im Wege der Zurechnung. Man vergleiche hierzu die Tischreden B. 58, 338 ff. <strong>Luthers</strong><br />
Eröffnungen an Melanchthon betreffs dieser Lehre von der <strong>Recht</strong>fertigung sind lichtvoll. Nicht einmal der Glaube,<br />
als donum spiritus sancti, rechtfertige, sondern nur sofern derselbe sich auf Christum beziehe (quatenus se habet<br />
correlative ad Christum): idid. S. 353 Note. Schon im Leipziger Interim (1552) wurde der Glaube wieder als rechtfertigende<br />
Gabe oder Tugend, eingefügt.<br />
206 Wann ich vollkommen sein werde?