Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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127 Psalm 24.<br />
Und wer wird stehen an seiner heiligen Stätte?<br />
Das ist: Wer gehört zu Gottes Volk? Welche meinst du, daß die sind, so in seiner heiligen Kirche<br />
rechtschaffen dienen? Auf diese Frage aber antworten alsbald die hoffärtigen Heiligen: Wir, wir<br />
sind es; sonderlich die Juden. Denn von Anfang der Welt sind gewesen zweierlei Geschlechter, 250<br />
die nach Gott fragen, <strong>und</strong> sind noch, werden auch bleiben bis zur Welt Ende. Die Ersten waren, welche<br />
ohne Herz, ohne Gnade, ohne Geist, allein mit äußerlichen Werken, Ordnungen, Opfern <strong>und</strong> Zeremonien<br />
Gott dieneten, <strong>und</strong> noch dienen; wie Kain Gott seine Gabe opferte, aber davon entzog das<br />
Herz <strong>und</strong> die Person. Also wird von den Juden gesagt Ps. 78: Ihr Herz war nicht fest an ihm <strong>und</strong> lo -<br />
gen ihm mit ihren Zungen. Also ist auch jetzt noch in der Kirche alles voll der abergläubischen Zeremonien,<br />
also, daß die Priester <strong>und</strong> geistlichen Regenten des Volkes, die sie billig hätten sollen weniger<br />
machen, dieselben vor den andern allen mehren <strong>und</strong> häufen; nicht, daß die Gebete, Gesänge,<br />
Orgeln, Kirchenschmuck, Bilder, Kleider, Gebärden des Leibs, Platten <strong>und</strong> andere dergleichen Dinge,<br />
so hin <strong>und</strong> wieder in den Kirchen zu sehen sind, an sich böse sind, sondern daß daraus, oder um<br />
derselben willen, kein Volk Gottes Volk, noch jemand ein Gliedmaß Christi ist, sondern ohne dieselben<br />
sein könne <strong>und</strong> sei, 251 wie hernach der Heilige Geist berichten wird, der auf solche Frage antwortet:<br />
Der unschuldige Hände hat.<br />
Der rein, unschuldig <strong>und</strong> ohne alle Sünde ist.<br />
Und reines Herzens ist.<br />
Wo kriegt man das her? Petrus sagt Act. 15: Durch den Glauben werden die Herzen gereinigt.<br />
Ein Herz, das Gott vertrauet, ist nicht verunreinigt mit einem andern Trauen. Das können die<br />
Heuchler <strong>und</strong> falschen Christen auch nicht tun. Mit Vorsatz aber <strong>und</strong> Fleiß nennet er zuerst das<br />
Werk <strong>und</strong> danach das Herz, daß er sie angreift, da sie am klarsten anzugreifen sind, nämlich eben<br />
im Werk des Würgens <strong>und</strong> Mordens. Wo aber nun der Glaube nicht ist, da ist notwendig ein gottloses<br />
Herz. – Er meinet ein Herz, das auch rein ist von dem Willen <strong>und</strong> der Lust zum Argen. Er<br />
spricht nicht: Ein Bischof, ein Papst, Doktor, Apostel, Fürst, König; spricht auch nicht: Ein Priester,<br />
ein Geistlicher, ein Mönch; spricht nicht: Ein Mann, ein Weib, ein Junger, ein Alter, eine Jungfrau,<br />
eine Witwe; auch nicht: Ein Grieche, ein Lateiner, Gelehrter, Weiser, Gewaltiger, oder ein Reicher;<br />
denn bei Gott ist kein Ansehen solcher oder dergleichen Personen. Wiederum ist auch bei ihm keine<br />
Verachtung der andern Personen, so denen ungleich sind; denn solches ist alles verdammt, so es allein<br />
ist. 252 Ja, was noch mehr ärgert, es ist auch der nicht, der so oder so viel <strong>Psalmen</strong> betet oder<br />
singt; noch auch der, der so viel Tage fastet <strong>und</strong> so viel Nächte wachet; noch der, so das Seine unter<br />
die Armen austeilt, noch der, welcher Andern predigt; noch der, der sanftmütig, leutselig <strong>und</strong><br />
fre<strong>und</strong>lich ist; 253 <strong>und</strong> in Summa auch der nicht, der alle Künste <strong>und</strong> Sprachen versteht <strong>und</strong> alle Tugenden<br />
<strong>und</strong> gute Werke hat, davon jemals irgend geschrieben oder geredet worden ist, zugleich in<br />
weltlichen <strong>und</strong> heidnischen Büchern <strong>und</strong> Heiliger Schrift: sondern der ist’s allein, der dieses einige<br />
Stück an sich hat, daß er rein sei innerlich <strong>und</strong> äußerlich, im Geist <strong>und</strong> Fleisch, ob er gleich der vorgesetzten<br />
Stücke, so es möglich wäre, gar keins hätte.<br />
250 Die zwei Geschlechter – bis heute: Heuchler <strong>und</strong> Gerechte durch den Glauben – Kain <strong>und</strong> Abel (siehe das Folgende).<br />
251 Kirchenschumck, Bilder, Kleider etc. – unnötig!<br />
252 Ganz ohne alle Tugenden.<br />
253 Darin suchen so viele Christen ihre Frömmigkeit, daß sie Liebe ohne Gerechtigkeit vorgeben – einen Heiligenschein,<br />
ohne zu bedenken, daß auch sie Menschen sind. Die meisten heutigen Selbstbiographien <strong>und</strong> Jugenderinnerungen<br />
kranken daran.