Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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117 Psalm 22.<br />
Auf solche Furcht folget alsdann, daß man Gott lobt. Darauf vertröstet Christus, Luk. 10, <strong>und</strong><br />
sagt: „Selig sind, die das Wort hören, das ihr höret;“ als wollte er sagen: Seid guter Dinge, ihr, die<br />
das Wort zulassen <strong>und</strong> annehmen. Es scheinet, dieweil ihr ohne gute Werke seid, als sollte es mit<br />
euch verloren sein; aber es hat die Meinung nicht, es stehet: Rühmet <strong>und</strong> lobet den Herrn, die ihr<br />
ihn fürchtet. Man soll ihn fürchten, aber nicht verzweifeln. 230 Also bindet er diese zwei, Furcht <strong>und</strong><br />
Freude, zusammen auch im andern Psalm, da er saget: Dienet dem Herrn mit Furcht <strong>und</strong> freuet<br />
euch.<br />
Es ehre ihn aller Same Jakobs.<br />
Daß er dazu setzet vom Samen Jakobs, tut er darum, auf daß er damit anzeige, daß die Verheißung<br />
vornehmlich gehöre dem Samen Abrahams; denn sie haben ja die Verheißung, daß das Evangelium<br />
bei ihnen soll aufkommen. Darum wiederholet er:<br />
Und vor ihm scheue sich aller Same Israels.<br />
Dies Wort heißet sich scheuen, wie es im andern Psalm stehet: Freuet euch mit Zittern, das ist,<br />
mit Scheu <strong>und</strong> Reverenz; also, daß wir uns nicht vermessen auf unsere Gerechtigkeit <strong>und</strong> Frömmigkeit,<br />
sondern nehmen an das Wort Gottes mit Dankbarkeit <strong>und</strong> Demut. Denn eine solche Hoffnung,<br />
die da Vermessene macht, will er nicht haben, sondern du sollst demütiglich in dem Wort studieren<br />
<strong>und</strong> es mit Scheu <strong>und</strong> Reverenz annehmen. Das ist unseres Herrn Jesu Christi seine Predigt, dadurch<br />
er den Vater preiset <strong>und</strong> schaffet, daß wir durch ihn zum Vater kommen; denn er ist der Weg.<br />
Denn er hat nicht verachtet noch verschmähet das Elend des Armen, <strong>und</strong> sein Antlitz vor<br />
ihm nicht verborgen.<br />
Dies setzt er zu der Erzählung vom Reich Christi als derselben rechten Titel <strong>und</strong> Merkmal, nämlich,<br />
daß es sei ein Reich des Kreuzes. 231 Das rühmet er. Wir müssen auch herhalten wie er. Er saget<br />
viel mehr mit diesen Worten: Er hat mich nicht verachtet etc., denn so er sagte, er hat angesehen<br />
etc.; als wollte er sagen: liebet den Gott, der die Elenden tröstet, der die Sünder gerecht macht, die<br />
Toten lebendig macht, den Verschmähten <strong>und</strong> Geschändeten zu Ehren hilft, die Armen selig macht.<br />
Sehet, wie er mir getan hat, mich hat er nicht verachtet. 232 Es dünket einen wohl, unser Herr Gott<br />
wolle sein <strong>und</strong> seines Betens nicht. Wider solches Zweifeln <strong>und</strong> Jagen richtet er uns auf <strong>und</strong> spricht,<br />
daß Gott sei ein Gott der Gnade <strong>und</strong> Barmherzigkeit, als wollte er sagen: Trauet ja auf euer Vornehmen<br />
<strong>und</strong> Werk nicht, ihr müßt zuvor elend sein: Kinder des Todes <strong>und</strong> der Hölle werden, <strong>und</strong> danach<br />
wisset, daß er so ein gnädiger Gott ist, der die Elenden nicht kann verachten.<br />
Und da er zu ihm schrie, hörete er’s.<br />
Christi Reich ist auch ein Reich des Gebets, wie Sacharja sagt, Kap. 12, vom Geist der Gnaden<br />
<strong>und</strong> des Gebets. Denn wo das Evangelium ist, da gehen die zwei, <strong>und</strong> ist Beten das andere Werk<br />
nach der Predigt. Die Gnade gibt Vergebung der Sünden <strong>und</strong> machet danach, daß einer beten kann;<br />
vor der Gnade aber heißet es nicht beten, sondern heulen. Also werden diese zwei auch bei einander<br />
gesetzt im Jeremia: So jemand das Wort des Herrn hat, so bete er für die Gefäße im Tempel etc.; als<br />
wollte er sagen: Das Zeichen, daß einer das Wort hat, ist, daß er beten kann. 233 Also tröstet er uns<br />
mit diesem Vers <strong>und</strong> spricht: Gott verachtet dich nicht, wie du meinest, sondern ist ein Gott der<br />
Gnade <strong>und</strong> ein Erhörer des Gebets, wie er ihn in einem andern Psalm nennet.<br />
230 Was das rechte Fürchten sei.<br />
231 Das Reich Christi ein Reich des Kreuzes.<br />
232 Der Glaube ist bescheiden!<br />
233 Das Zeichen, daß einer das Wort hat, ist das Gebet.