Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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112 Psalm 22.<br />
Du bist mein Gott von meiner Mutter Leib an.<br />
Ich habe in meinem ganzen Leben mir nichts vorgenommen noch getan ohne dich, sondern von<br />
dem an, da ich angefangen habe, ein Mensch zu sein, habe ich dir gedient, <strong>und</strong> ist nichts an mir, das<br />
mein möchte genannt werden, auch meine Geburt selber nicht. Also ergreift er Gott in den vorigen<br />
Wohltaten <strong>und</strong> am Werk mehr, denn in seinem Wort.<br />
Du warest meine Zuversicht, da ich noch an meiner Mutter Brüsten war.<br />
Du bist mein Trotz gewesen, das ist, es ist mein Leben deine Gabe gewesen, <strong>und</strong> du hast Gefallen<br />
zu mir gehabt, so bald ich bin geboren gewesen. Da ich meiner Mutter an den Brüsten lag, warest<br />
du mein Gott, <strong>und</strong> ich, als dein Knecht, hatte mich dir ganz <strong>und</strong> gar ergeben.<br />
Auf dich bin ich geworfen aus Mutterleibe.<br />
Ich bin angenommen worden in deinen Schutz <strong>und</strong> Treue, <strong>und</strong> dir gar übergeben worden; <strong>und</strong> ist<br />
niemand, der sich mein hat angenommen, denn du. Andere werden geworfen in die Welt <strong>und</strong> ins<br />
Elend; ich aber bin auf dich geworfen. Darum habe ich ja solche Strafe <strong>und</strong> Lästerung nicht verdient.<br />
Sie sind nicht, wie ich bin; denn ich bin heilig 220 von dem an, da ich angefangen habe zu leben.<br />
Also hat er solches alles entgegengesetzt seinem Leiden.<br />
Du bist mein Gott von meiner Mutter Leib an.<br />
Damit machet er den Trost hoch <strong>und</strong> groß; <strong>und</strong> kommt solches daher, daß er unsern Herrn Gott<br />
ergriffen hat. Du bist ja mein Gott, <strong>und</strong> ich dein Diener gewesen. Er sagt allein von der Mutter Leibe,<br />
darum, daß er von der Jungfrauen, seiner Mutter, geboren ist. Es ist aber hier auch angezeigt die<br />
Weise, wie man sich stellen soll, wenn man beten will <strong>und</strong> sein Gewissen still machen. Denn ehe er<br />
bittet, erinnert er sich der Wohltaten; wie wir auch tun im Vater Unser <strong>und</strong> sprechen: Unser Vater,<br />
du bist ein großer, mächtiger Vater.<br />
Sei nicht ferne von mir.<br />
Ich bitte dich, laß deine Hilfe nahe zu mir kommen; jetz<strong>und</strong> ist das Leiden <strong>und</strong> die Angst nahe<br />
bei mir. Und dies ist etwa das Gebet, von welchem die Epistel an die Hebräer saget Kap. 5, daß es<br />
Christus seinem Vater geopfert habe in den Tagen seines Fleisches. Und ist dies nun die Bitte.<br />
Gleichwie es aber fein ist, daß man sich im Gebet bewerbe um die Gunst dessen, den man anspricht,<br />
also muß man auch Ungunst einlegen den Feinden, auf daß der Richter, Gnade zu erzeigen<br />
dem, der Unrecht leidet, gelenket <strong>und</strong> gereizt werde. So dienet solches auch dazu, daß man desto<br />
andächtiger <strong>und</strong> ernster bete; wie wir jetzt sagen, wenn wir beten: Hilf lieber Herr Gott, denn du<br />
siehest, wie sie mit uns umgehen, <strong>und</strong> weißt, daß sie verhäute (verzweifelte) Buben sind; so wird<br />
denn das Gebet fein stark, <strong>und</strong> Ernst <strong>und</strong> Andacht erwecket.<br />
Große Farren haben mich umgeben.<br />
Farren – junge Ochsen – Zuchtochsen, er heißet sie voll, – stark, groß.<br />
Fette Ochsen haben mich umringet.<br />
Damit zeiget er an, daß seine Feinde stoßende Ochsen sind, die da stoßen, Unrecht, Gewalt <strong>und</strong><br />
Mutwillen üben, <strong>und</strong> sind solche Ochsen Herodes, Pilatus <strong>und</strong> die Römer. Also treibt er Klagen auf<br />
seine Widersacher <strong>und</strong> macht ihm 221 Gunst. Ochsen, spricht er, sind wider mich, ich aber bin ein<br />
220 Hebr. begnadet (passiv), d. h. von Gott in Gnaden angenommen, also daß er Gott zu seinem Gott hat. Im aktiven<br />
Sinne vgl. B. 37, 363: Darum (darinnen) werden sie heilig sein, daß sie ihre Bosheit dir klagen <strong>und</strong> um Gnade bitten.<br />
221 Verschafft sich.