Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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114 Psalm 22.<br />
denn er wendet seine Gedanken auf die Bosheit seiner Widersacher <strong>und</strong> klaget über dieselbigen.<br />
Gott aber lobt er <strong>und</strong> tröstet sich also.<br />
Und der Bösen Rotte hat sich um mich gemacht.<br />
Nicht die Rotte deines Volks. Nun setzet er klar, wie sie weiter mit ihm sind umgegangen.<br />
Sie haben meine Hände <strong>und</strong> Füße durchgraben.<br />
Er fähret mit der Klage über seine Feinde fort. Die Weise mit dem Kreuzigen, halte ich, sei schon<br />
lange zuvor <strong>und</strong> alt gewesen, <strong>und</strong> sei dem Herrn Christo solche Marter <strong>und</strong> Strafe nicht zuerst angelegt<br />
worden; wie ich höre, daß solche Gewohnheit, die Leute zu töten, bei den Türken noch gehalten<br />
werde. Es fälschen aber diesen Text die Juden übel, <strong>und</strong>, dieweil sie sich dünken lassen, es sei<br />
die Macht, die Buchstaben zu setzen <strong>und</strong> versetzen, bei ihnen allein, lesen sie nicht: Sie haben<br />
durchgraben; sondern also: Wie ein Löwe sind meine Hände <strong>und</strong> Füße. Nun ist dies aber eine öffentliche<br />
<strong>und</strong> fälschliche Verkehrung <strong>und</strong> Verfälschung. Sie haben durchgraben, spricht er, das ist,<br />
sie haben mich gekreuzigt wie einen Dieb, dem man Hände <strong>und</strong> Füße durchnagelt.<br />
Ich möchte alle meine Beine zählen.<br />
Wie wir auf deutsch auch sagen: Man möchte ihm die Rippen im Leibe zählen. Da hilft denn zu,<br />
daß er ausgetrocknet <strong>und</strong> von aller seiner Macht <strong>und</strong> Kraft gekommen gewesen ist. Daß sie doch<br />
Barmherzigkeit mit ihm hätten; jawohl, da ist nichts denn eitel grausame Unbarmherzigkeit.<br />
Sie aber schauen, <strong>und</strong> sehen ihre Lust an mir.<br />
Sie haben gestanden <strong>und</strong> ihre Freude an ihm gesehen, <strong>und</strong> in ihr Herz hinein gelacht, das tat ihm<br />
denn sehr wehe.<br />
Sie teilen meine Kleider unter sich.<br />
Ärger könnten sie es nicht machen, zuletzt müssen sie auch um seine Kleider spielen. Solche<br />
Bosheit <strong>und</strong> Mutwillen zieht er hier sehr hoch an. Von Galle <strong>und</strong> Essig sagt er anderswo, Ps. 69.<br />
Also tun aber alle Gottlosen, wenn der Christen Sache vor sie kommt; sie haben nicht genug daran,<br />
daß sie sie verdammen, sondern lachen dazu, <strong>und</strong> haben’s eine Freude: daß man an derselben Bosheit<br />
spüren muß, daß es der Teufel, nicht Gottes Ordnung tut. Denn in andern Gerichten hat man<br />
doch Mitleid mit den Verurteilten.<br />
Aber du, Herr, sei nicht ferne.<br />
Dies ist das dritte <strong>und</strong> letzte Stück, darin er zugleich bittet <strong>und</strong> prophezeit von seinem künftigen<br />
Reich. Denn bisher hat er erzählet sein Leiden, nun hänget er mit an eine Prophezeiung von der<br />
Auferstehung <strong>und</strong> dem Reich Christi. Es ist ein sehr schöner Psalm, voll des Zeugnisses, daß Christus<br />
habe müssen leiden <strong>und</strong> also in seine Herrlichkeit eingehen (Luk. 24).<br />
Herr, sei nicht ferne.<br />
Entferne dich nicht so weit von mir, sondern stehe mir bei, daß ich von den Toten wiederum<br />
möge aufstehen. 222<br />
Meine Stärke, eile mir zu helfen.<br />
Diese Worte sind Zeichen eines Herzens, das da leidet; denn im Kreuz, 223 wie ich droben gesagt<br />
habe, bringet aller Verzug Ungeduld. So streicht er’s nun fein mit den Worten aus, wie einem im<br />
Kreuz <strong>und</strong> Leiden zu Sinn ist.<br />
222 Auferstehung von den Toten; vgl. Phil. 3,11.<br />
223 Im Kreuz ist aller Verzug schwer.