Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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50 Psalm 10.<br />
Seine Augen halten auf die Armen.<br />
Er fürchtet sich vor keinem so sehr, als vor den Armen, welchen das Evangelium gepredigt wird.<br />
Vor Herrn <strong>und</strong> Fürsten fürchtet er sich so sehr nicht. Also sehen sie jetzt allein auf uns, das ist ihnen<br />
allein angelegen, da gehen sie allein mit um; denn sie lassen sich dünken, <strong>und</strong> der Teufel fühlet’s<br />
auch, sie werden sonst keine Ruhe haben.<br />
Er lauert im verborgenen, wie ein Löwe in der Höhle.<br />
Nun streicht er ihre Bosheit grob aus durch ein Gleichnis. <strong>Dr</strong>oben hat er gesagt, daß sie sich fleißig<br />
umtun nach äußerlicher Pracht, dieselbe schmücken, <strong>und</strong> dadurch suchen rechte Ursache, die<br />
Heiligen zu verdammen. Hier sagt er, wie hart <strong>und</strong> grausam sie sind, daß lauter Nichts dafür hilft;<br />
wie wir auch erfahren. Bittet man, so werden sie hoffärtig; dräuet man, so verachten sie es; vermahnet<br />
man sie, so stoßen sie es unter die Bank.<br />
Daß er erhasche den Elenden in seinem Netze.<br />
Das Netz ist dies, daß sie sagen: Er hat wider den Papst <strong>und</strong> die Kirche geredet; also führen sie<br />
einen hinein. Und also haben H. G. 107 <strong>und</strong> andere bei dem Kaiser tun wollen, <strong>und</strong> ihn also einnehmen,<br />
daß wir danach nicht hätten zu Wort kommen können.<br />
Er zerschlägt <strong>und</strong> drücket nieder, <strong>und</strong> stößt zu Boden den Armen mit Gewalt.<br />
Wenn sie nur ein Stück können überkommen, darauf sie anklagen, so hilft es nicht, <strong>und</strong> wenn sie<br />
gleich 10 000 andere gute Stück bei uns finden. Wiederum, wenn sie eins haben, das einen Schein<br />
hat, so schaden 10 000 böse Stück nicht. Also saget der Kardinal Cajetanus zu Augsburg zu mir:<br />
Widerrufe doch den einigen Artikel vom Verdienst der Heiligen, <strong>und</strong> gib nach, daß er sei ein Schatz<br />
des Ablaß; wirst du denselben widerrufen, so wird dir das andere alles nachgelassen werden. Also<br />
haben sie jetzt das Stück allein von der Priester aufgehobner Keuschheit <strong>und</strong> eröffneten Klöstern,<br />
von den Nonnen etc. Also gehet’s, wenn sie etwas zum Schein in ihren Höfen erhaschen können, so<br />
folgt sobald darauf das Zuschlagen, Niederdrücken <strong>und</strong> zu Boden stoßen. Darum werden sie erstlich<br />
ihres Dings eins <strong>und</strong> schließen, danach aber verkürzen sie ihre Feinde ohne alles <strong>Recht</strong>, allein aus<br />
Hinterlist; welches denn kein ander Tyrann tut. Denn der Türke übet solches mit öffentlicher Gewalt,<br />
die andern auf gemeinem <strong>und</strong> offenbarem <strong>Recht</strong>. Wie kommt es denn nun, daß sie so grausam<br />
sind? Er antwortet:<br />
Er spricht in seinem Herzen: Gott hat’s vergessen.<br />
Wie denn auch tun die Ketzer <strong>und</strong> Feinde Gottes: Unser Herr Gott denkt nicht an sie (die Frommen),<br />
sie sind vor Gott verworfen <strong>und</strong> verstoßen. Also halten uns Eck <strong>und</strong> das Volk.<br />
Er hat sein Antlitz verborgen, er wird’s nimmermehr sehen.<br />
Er mag ihrer nicht ansehen. Also haben sie zu Costnitz ein solches Urteil gefällt wider Johannem<br />
Huß. Solchen verstockten, bösen Sinn wider uns können sie fassen in Lügen <strong>und</strong> aus Betrug. Also<br />
hat er nun bisher beschrieben den Antichrist, daß er unter gutem Frieden Lügen lehret. Da es aber<br />
an Streiten <strong>und</strong> Kämpfen gehet, braucht er hinterlistige Stücke <strong>und</strong> Vorteile. Nun folgt das Schreien<br />
zu Gott, welches wir auch beten sollen:<br />
Stehe auf, Herr Gott, erhebe deine Hand; vergiß der Elenden nicht.<br />
Wider solche greuliche Gotteslästerung muß er sich ermuntern, <strong>und</strong> dawider beten: Lieber Herr<br />
Gott, das müssen wir hören; auf, auf, lieber Herr, siehe ja nicht zu lang zu, <strong>und</strong> stärke ihre Lästerung.<br />
107 Herzog Georg.