Dr. Martin Luthers Fünfundzwanzig Psalmen - Licht und Recht
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115 Psalm 22.<br />
Errette meine Seele vom Schwert.<br />
Er betet klar um Hilfe, daß seine Seele möge errettet werden vom Schwert, das ist, von der Gewalt<br />
derer, so das Schwert führen, von den Tyrannen, die ihm das Leben nehmen wollen.<br />
Meine Einsame von den H<strong>und</strong>en.<br />
Er gehet noch um mit der heimlichen Deutung von der gejagten Hindin, von der Hand der H<strong>und</strong>e,<br />
oder von der hündischen Hand; als sollte er sagen: Ich bin in der Jagd, <strong>und</strong> die mich verfolgen,<br />
dringen auf mich zu; aber laß mich nicht in den Händen der H<strong>und</strong>e. Er will schlecht wieder heraus!<br />
224<br />
Meine Einsame,<br />
das ist, mich, der ich einsam bin; wie also die Schrift oft redet, als Psalm 25: Ich bin einsam <strong>und</strong><br />
elend. Denn ein jeder, der leidet, ist einsam, hat keine Hilfe <strong>und</strong> keinen Beistand. Und ist dies auch<br />
Gottes Titel, daß er ist ein Helfer aller derer, so von aller menschlichen Hilfe verlassen sind. Und erwecket<br />
dies Wort auch Ernst <strong>und</strong> Andacht im Herzen, daß das Gebet fein stark werde: Lieber Herr<br />
Gott, hilf, du siehest, daß ich sonst gar verlassen bin.<br />
Hilf mir aus dem Rachen des Löwen.<br />
Sind Wiederholungen <strong>und</strong> zwiefache Worte, so da kommen aus einem sehr heftigen Verlangen<br />
eines sehr brünstigen Geistes.<br />
Und errette mich von den Einhörnern.<br />
Es sind vier Gleichnisse, damit er bekennet, er sei unter dem Schwert, in der Gewalt der H<strong>und</strong>e,<br />
im Rachen des Löwen <strong>und</strong> zwischen den Hörnern der Einhörner. Er saget aber, daß er von vielen<br />
Einhörnern angegriffen werde. Und schreiben die Beschreiber der natürlichen Dinge von den Einhörnern,<br />
225 daß sie unbändige <strong>und</strong> wilde Tiere sind, so man allein töten, aber nicht lebendig fangen<br />
kann. So sind die Juden <strong>und</strong> alle Verfolger der Christen. Das sind die zornigsten, greulichsten Tiere,<br />
welche der Heilige Geist nicht anders, denn durch solche Art der Worte kann anzeigen. Wenn Diebe<br />
<strong>und</strong> Straßenränder zum Galgen oder Rabenstein geführet werden, so hat man doch Mitleid mit ihnen;<br />
das tut man aber mit den Christen nicht, sondern da werden H<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Löwen daraus, das ist,<br />
unversöhnliche <strong>und</strong> unersättliche Feinde. So ist nun dies das Gebet in der Hoffnung der Auferstehung,<br />
davon er nun prophezeit, als sei er schon erhört.<br />
Ich will deinen Namen predigen meinen Brüdern.<br />
Was ist das? Will ein Toter predigen <strong>und</strong> ein Erwürgeter rühmen? So schließt ja dieser Vers in<br />
sich die Auferstehung; denn er redet von seiner eigenen Person, <strong>und</strong> ist es Christus selber, der uns<br />
Brüder nennet. Es kann aber niemand mit Herzen <strong>und</strong> Gedanken genugsam fassen, wie herzlich <strong>und</strong><br />
ernstlich dies gesagt sei: Meinen Brüdern. Das tut’s, „meinen,“ der ich ein Überwinder bin des Todes,<br />
der Hölle, Sünde <strong>und</strong> alles Ungemachs. Der große Gott, der Himmel <strong>und</strong> Erde erfüllet, der<br />
spricht zu denen, die ihn hören, daß sie seine Brüder sind. Wer derhalben das Wort lieb hat, höret’s,<br />
hält es in Ehren, der höret hier wohl, wofür ihn Christus hält. Und das tröstet uns auch wider alle<br />
Tyrannen. Was können sie tun, so Christus unser Bruder ist, wenn sie gleich Einhörner sind? So fasset<br />
dies Wort „Bruder“ 226 auch das mit, daß wir haben, was er hat. Er ist aber selig, frei vom Teufel,<br />
unschuldig von Sünden, – das ist alles unser.<br />
224 Er ist kein struppiger Mönch oder fanatischer Märtyrer!<br />
225 Das ist Waldochs, neuerdings erst richtig erkannt.<br />
226 Bruder faßt in sich, daß wir haben, was er hat.