Monitoring der Arbeitsmarktöffnung - L&R Sozialforschung
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Zu den Lohnunterlagen, die den behördlichen Kontrollorganen vor Ort vorgelegt werden<br />
müssen, gehören auch Arbeitszeitaufzeichnungen. In <strong>der</strong> Praxis werden diese<br />
jedoch oftmals gar nicht o<strong>der</strong> auch einfach falsch – mit zu geringen Einsatzzeiten bzw.<br />
Arbeitszeiten, die <strong>der</strong> offiziellen Anmeldung bei <strong>der</strong> Gebietskrankenkasse entsprechen<br />
– geführt, was nach Einschätzung <strong>der</strong> ExpertInnen ein relativ verbreitetes Phänomen<br />
darstellt. Mehrere InterviewpartnerInnen berichten von Beratungsgesprächen, in denen<br />
betroffene ArbeitnehmerInnen „offizielle und inoffizielle“ Arbeitszeitaufzeichnungen<br />
vorlegen. In manchen Fällen müssen ArbeitnehmerInnen die fiktiven, „offiziellen“ Arbeitszeitunterlagen<br />
– mitunter auch gemeinsam mit ebenso fiktiven Lohnabrechnungen<br />
– unterschreiben, ehe man ihnen ihren Lohn aushändigt (bspw. Int. 3, 4, 6, 15). Aus<br />
Sicht <strong>der</strong> Interessensvertretung ist <strong>der</strong> Handlungsspielraum höchst eingeengt, wenn<br />
keine Arbeitszeitaufzeichnungen über die (tatsächliche) Arbeitszeit geführt werden.<br />
Auch in dem einen Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Unterentlohnung auf<br />
Basis des LSDB-G (siehe Fallbeispiel 7 im vorigen Abschnitt) ist die Frage <strong>der</strong> Arbeitszeitaufzeichnungen<br />
wesentlich. Da es sich um keine vollzeitige Beschäftigung handelt<br />
und gleichzeitig keine Arbeitszeitaufzeichnungen vorliegen, erfolgt die Bemessung des<br />
zustehenden Grundlohns „aus den Angaben <strong>der</strong> Arbeitnehmer und den Arbeitsverträgen<br />
[…] Den fehlenden Arbeitszeitaufzeichnungen kommt daher eine erhöhte Bedeutung<br />
zu, beson<strong>der</strong>s im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Entsendung von Arbeitnehmern aus<br />
dem Ausland nach Österreich“ heißt es dazu in <strong>der</strong> Anzeige des Kompetenzzentrums.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e wenn es um die (Nicht-/Teil-/Schwarz-)Bezahlung von Überstunden<br />
geht, ist die Arbeitszeitdokumentation Voraussetzung, aber oftmals nicht vorhanden.<br />
Um nicht (korrekt) bezahlte Mehr- und Überstunden und entsprechende Zuschläge<br />
geht es auch in vielen Beratungsfällen in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> befragten ExpertInnen<br />
(bspw. Int. 7, 17, 19, 22). Konkret werden in diesen Fällen Überstunden beispielsweise<br />
ohne Zuschläge mit dem ‚normalen‘ Stundensatz abgegolten, o<strong>der</strong> es bestehen Vereinbarungen<br />
über einen schwarz ausbezahlten, fixen monatlichen Pauschalbetrag, <strong>der</strong><br />
sich „inklusive alles“ versteht, also vermeintlich Son<strong>der</strong>zahlungen und Überstunden<br />
abdecken soll (Int. 7). Allerdings, so <strong>der</strong> Tenor <strong>der</strong> ExpertInnen, sind auch dies keine<br />
neuen Entwicklungen, son<strong>der</strong>n waren auch vor <strong>der</strong> Arbeitsmarktöffnung weit verbreitet,<br />
wenngleich einige auch eine generelle Zunahme (ohne direkten Bezug zur Öffnung)<br />
wahrnehmen, insbeson<strong>der</strong>e im „Jonglieren“ mit Durchrechnungszeiträumen v.a. in den<br />
Saisonbranchen Bau und Tourismus mit sehr unterschiedlichen Arbeitsintensitäten,<br />
aber auch etwa im Handel (Int. 4, 12, 14, 21).<br />
Fallbeispiel 24: Scheinteilzeit, ohne Son<strong>der</strong>zahlungen und Überstundenzuschläge<br />
Ein rumänischer Weingartenarbeiter findet bei einem landwirtschaftlichen<br />
Kleinbetrieb in Nie<strong>der</strong>österreich Beschäftigung. Es wird eine Bezahlung<br />
von 6 Euro netto pro Stunde vereinbart, ein Satz <strong>der</strong> faktisch über dem<br />
kollektivvertraglichen Mindestlohn für bäuerliche DienstnehmerInnen von<br />
knapp über 6 Euro / Stunde brutto liegt. Er wird mit 20 Wochenstunden<br />
und dem kollektivvertraglichen Mindestlohn bei <strong>der</strong> GKK angemeldet, die<br />
faktische Arbeitszeit entspricht einer Vollzeitbeschäftigung. Die Geldauszahlung<br />
erfolgt monatlich für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden in<br />
bar, wobei <strong>der</strong> Arbeitnehmer aber einen fiktiven Lohnzettel unterschreiben<br />
muss, <strong>der</strong> nicht mit den tatsächlichen Auszahlungen übereinstimmt.<br />
Nach etwa einem Jahr erfährt <strong>der</strong> Arbeiter, dass in <strong>der</strong> Landwirtschaft in<br />
Österreich ein 13. und 14. Monatsgehalt jedenfalls gezahlt werden müssen<br />
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