Monitoring der Arbeitsmarktöffnung - L&R Sozialforschung
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(Reindl-Krauskopf/Meissnitzer 2010a: 12). Firmenpapiere werden mehrfach weiterverkauft,<br />
die Nutzungsmöglichkeiten solcher Scheinfirmen sind vielfältig. Für Scheinfirmen<br />
(sowie auch für jene Unternehmen, die ihre DienstnehmerInnen über Scheinfirma anmelden)<br />
liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass das Wirtschaften ohne Lohnnebenkosten sehr günstige<br />
Anbotslegungen erlaubt, und <strong>der</strong> wirtschaftliche Gewinn auch nach wenigen Monaten<br />
des Bestands kann enorm ausfallen.<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> Betrugsbekämpfung ist dabei auch problematisch, dass Scheinfirmen im<br />
Zuge <strong>der</strong> Kontrolltätigkeiten von Finanzpolizei und BUAK oftmals formal nicht als solche<br />
‚dubiosen‘ Firmen zu identifizieren sind. Die Möglichkeiten <strong>der</strong> Kontrolle stoßen an<br />
ihre Grenzen, wenn bei <strong>der</strong> Baustellenkontrolle korrekte Lohnunterlagen vorgewiesen<br />
werden. Erst im Nachhinein, wenn von Seiten <strong>der</strong> Gebietskrankenkasse aufgrund <strong>der</strong><br />
fehlenden Sozialversicherungsbeiträge Schritte gegen die Firmen unternommen bzw.<br />
Insolvenzen beantragt werden, wird das betrügerische Vorgehen sichtbar.<br />
Für die Rechtsvertretung betroffener ArbeitnehmerInnen ist in diesem Kontext zweierlei<br />
problematisch. Zum einen ist in Fällen <strong>der</strong> Beschäftigung bei Scheinfirmen oft kein eindeutiger<br />
Bezug betroffener ArbeitnehmerInnen zu diesem Unternehmen bzw. dessen<br />
Dienstgebereigenschaft herzustellen. Oftmals ist den Betroffenen <strong>der</strong> Name des Unternehmens<br />
o<strong>der</strong> des Geschäftsführers gar nicht bekannt, wenn etwa die Arbeitsvereinbarungen<br />
direkt auf <strong>der</strong> Baustelle mit nur vermeintlich Bevollmächtigten des Unternehmens<br />
geschlossen werden und keine schriftlichen Arbeitsverträge geschlossen<br />
werden. Auch erschwert die übliche Praxis von Akontozahlungen die Zuordenbarkeit<br />
ausbezahlter Löhne zu Leistungen bzw. Leistungszeiträumen. Aufgrund einer tendenziell<br />
strenger werdenden Judikatur in Bezug auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis<br />
bzw. Insolvenzentgelt kann von Seiten <strong>der</strong> Arbeiterkammer in manchen Fällen die<br />
Rechtsvertretung aufgrund <strong>der</strong> Aussichtslosigkeit des Verfahrens nicht übernommen<br />
werden (vgl. Reindl-Krauskopf/Meissnitzer 2010b: 21f) 59 .<br />
Zum an<strong>der</strong>en werden auch nur jene Fälle erfasst, in denen sich Betroffene mit ihren<br />
Ansprüchen überhaupt an die Interessensvertretung wenden. Dies ist erfahrungsgemäß<br />
vor allem bei ausländischen Beschäftigten (insbeson<strong>der</strong>e bei geringen Deutschkenntnissen),<br />
kurzen Beschäftigungszeiten in Österreich im Falle von Entsendungen<br />
o<strong>der</strong> in Saisonbranchen in vergleichsweise geringerem Ausmaß <strong>der</strong> Fall (vgl. Kapitel 5.4).<br />
Fallbeispiel 30: Praxis <strong>der</strong> Scheinfirmen<br />
Eine Baufirma (mit vier eingetragenen ungarischen Geschäftsführern und<br />
Gesellschaftern) ist auf einer österreichischen Großbaustelle aktiv und mietet<br />
vor Ort Büroräumlichkeiten. Die rund 40 ArbeitnehmerInnen dieser Baufirma<br />
sind allesamt ungarische Staatsbürger. Sie werden korrekt mit dem<br />
Kollektivvertrag für Baugewerbe/ Bauindustrie angemeldet, auch bei <strong>der</strong><br />
59<br />
Ob die Arbeiterkammer umfassenden, beschränkten o<strong>der</strong> eben auch keinen Rechtsschutz gewährt,<br />
orientiert sich demzufolge an bestimmten Kriterien, die die rechtliche Ausgangslage des Falls berücksichtigen<br />
(bspw. ob <strong>der</strong> /die DienstnehmerIn nachweislich von dem/<strong>der</strong> handelsrechtlichen GeschäftsführerIn<br />
o<strong>der</strong> einem/einer seiner Bevollmächtigten eingestellt wurde, ob <strong>der</strong> vermeintliche Arbeitgeber<br />
über einen Betriebsstandort mit Büro, Sekretariat, etc. verfügt, ob <strong>der</strong>/die ArbeitnehmerIn über vom<br />
Dienstgeber bestätigte Arbeitszeitaufzeichnungen verfügt, usw.). Ablehnungen des Rechtsschutzes vor<br />
diesem Hintergrund betreffen rund 10% <strong>der</strong> Fälle im Baubereich (2008: 7%, 2008: 10%, Jänner – Mai<br />
2010: 10%; basierend auf einer internen Statistik <strong>der</strong> AK Wien, siehe ebd.:22). Eine dramatische Zunahme<br />
von Ablehnung <strong>der</strong> Rechtsvertretungen im Zuge <strong>der</strong> Öffnung – was auf einen Anstieg <strong>der</strong> Tätigkeit<br />
von Scheinfirmen und/o<strong>der</strong> eine stärkere Betroffenheit von ArbeitnehmerInnen aus den EU-8<br />
Län<strong>der</strong>n schließen lassen würde – wurde in den ExpertInnengesprächen jedoch nicht berichtet.<br />
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