Monitoring der Arbeitsmarktöffnung - L&R Sozialforschung
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5.3.4 Umgehung <strong>der</strong> Anmeldung zur Sozialversicherung<br />
Die Umgehung <strong>der</strong> Anmeldung von DienstnehmerInnen bei dem zuständigen Sozialversicherungsträger<br />
findet sich, basierend auf den ExpertInnengesprächen und in den<br />
erhobenen Fällen, im Wesentlichen in drei Formen. Neben <strong>der</strong> gänzlich illegalen Beschäftigung,<br />
also <strong>der</strong> Nichtmeldung <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen, werden vor allem Scheinselbständigkeit<br />
und Scheinentsendungen thematisiert.<br />
5.3.4.1 Scheinselbständigkeit<br />
Die Beschäftigung von DienstnehmerInnen auf Basis einer selbstständigen Tätigkeit<br />
galt während <strong>der</strong> Übergangsbestimmungen als Praxis <strong>der</strong> Umgehung <strong>der</strong> für eine unselbstständige<br />
Beschäftigung notwendigen Beschäftigungsbewilligung. Es bestand die<br />
Vermutung, dass es im Zuge <strong>der</strong> Liberalisierung zu einem Rückgang <strong>der</strong> Scheinselbstständigkeit<br />
kommen würde, wenn die betroffenen StaatsbürgerInnen nun ohne Bewilligung<br />
als unselbstständige ArbeitnehmerInnen angemeldet werden können. In <strong>der</strong> Tat<br />
zeigt sich auf Ebene <strong>der</strong> Gesamtbeschäftigung ein Rückgang von selbständiger Erwerbstätigkeit<br />
von EU-8 StaatsbürgerInnen (siehe Huber/Böhs 2011). Eine solche<br />
Entwicklung wird auch von verschiedenen ExpertInnen zumindest als plausibel erachtet,<br />
zumal von <strong>der</strong> verstärkten Kontrolltätigkeit <strong>der</strong> Finanzpolizei auch eine abschreckende<br />
Wirkung erwartet wird (bspw. Int. 1, 14, 19, 20). Die konkreten Beobachtungen<br />
eines Rückgangs von (Schein-)Selbstständigkeit lassen allerdings auf sich warten –<br />
lediglich ein/e InterviewpartnerIn erwähnte, dass er/sie Kenntnis von einem Fall besitzt,<br />
in dem ein ungarischer Staatsbürger seine Gewerbeberechtigung (für eine „Tätigkeit,<br />
die in <strong>der</strong> Praxis nur in unselbständiger Form ausgeführt wird“) zurücklegte (Int. 2, vgl.<br />
auch Kapitel 2.2.2).<br />
Vielmehr wird die Beschäftigung von Selbstständigen auch weiterhin als mögliche attraktive<br />
Variante gesehen, da auf sie vielerlei rechtliche und kollektivvertragliche Bestimmungen<br />
keine Anwendung finden. Darüber hinaus stellen sie eine Möglichkeit <strong>der</strong><br />
Umgehung von Sozialversicherungsbeiträgen und lohnabhängigen Abgaben dar. Problematisch<br />
ist die Definition <strong>der</strong> Selbstständigkeit vor allem in Bezug auf einfache (Hilfs-<br />
)Tätigkeiten, die in faktischer Abhängigkeit durchgeführt werden und damit arbeitnehmerähnliche<br />
Beschäftigungsverhältnisse darstellen, für die ein reguläres Dienstverhältnis<br />
zu begründen wäre. Die ExpertInnen sehen eine hohe Bedeutung solcher Scheinselbstständigkeit<br />
weiterhin vor allem im Baubereich gegeben (bspw. Kranfahrer, Int.<br />
17, o<strong>der</strong> auch Int. 3, 4), aber auch im Transportgewerbe (Int. 27).<br />
Fallbeispiel 26: „Selbständige Arbeitnehmer“<br />
Im Dezember 2011 wurde eine Kontrolle bei einer „Großbaustelle“ in Wien<br />
durchgeführt. Der Schwerpunkt <strong>der</strong> Kontrolle galt dem Gewerbe „Trockenbau“,<br />
da zu dieser Zeit sehr umfangreiche Arbeiten in diesem Bereich<br />
durchgeführt wurden.<br />
Am Kontrolltag trafen die Baustellenprüfer auf 25 „selbständige Arbeitnehmer“<br />
aus Polen. Im Zuge <strong>der</strong> Befragungen stellte sich heraus, dass<br />
alle kontrollierten Personen von <strong>der</strong>selben inländischen Trockenbaufirma<br />
mittels Werkvertrages beauftragt wurden. Diese inländische Trockenbaufirma<br />
war lediglich mit einem „Polier“ auf <strong>der</strong> Baustelle anwesend, welcher<br />
die „selbständigen Arbeitnehmer“ kontrollierte bzw. Weisungen erteilte.<br />
Zusätzlich konnte erhoben werden, dass diese „selbständigen Arbeitneh-<br />
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