Berichte über Landwirtschaft - BMELV
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Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />
123<br />
b) dass kulturelle Erbe der Haus-, Hof-, Landschafts- und Siedlungsformen und vor<br />
allem,<br />
c) die untrennbare Einheit von Ort und Flur, die selbst dort erhalten geblieben ist, wo es<br />
keinen eigenständigen Betrieb im Dorf mehr gibt und wo sämtliche landwirtschaftlichen<br />
Nutzflächen an Landwirte außerhalb der eigenen Gemarkung verpachtet sind,<br />
wo aber die „ruhenden Hofstellen“ weiterhin in der Höferolle verblieben sind und<br />
schließlich,<br />
d)<br />
die <strong>über</strong>lieferten Rituale des Gemeinschaftslebens, in denen die historische Dorfgemeinschaft<br />
weiterlebt.<br />
Neben diesen wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen zur Stadt, dem Standort eines<br />
„Marktes“ und zugleich Ort des Waren- und Informationsaustausches mit eher unverbindlicher<br />
Kommunikation, sind auch <strong>über</strong>lieferte soziale Kontrolle, verbindliche Kontaktformen<br />
zwischen den Bewohnern und tradierte Formen von Feiern und Festen sowie<br />
Formen der Nachbarschaftshilfe als prägende Bestimmungselemente neben anderen dorftypischen<br />
Merkmalen erhalten geblieben.<br />
Um in die Komplexität dieses Lebensraumes, der bisher <strong>über</strong>wiegend nur in historischen<br />
Einzelbiografien, in fachspezifischen Analysen und in behördlichen Statistikberichten<br />
aufgearbeitet wurde, näher einzudringen, bedurfte es einer ganzheitlichen Nachbetrachtung,<br />
die – ausgehend von einer sektoralen Betrachtung von Einzelaspekten – die<br />
Bruchstücke am Ende wieder zu einem Bild zusammenfügen muss, nach dem Motto: „Das<br />
Ganze ist mehr als die Summe der Teile“.<br />
Den angesprochenen Merkmalen des historischen Dorfes steht trotz der aufgezählten<br />
dorfspezifischen Restmerkmale die Realität einer neuen ländlichen Siedlung mit hohem<br />
Pendler- und Zuwandereranteil gegen<strong>über</strong>, in der der Traum vom Einfamilienhaus als<br />
selbstbestimmtem Rückzugsort verhältnismäßig leicht realisiert werden kann, wo der<br />
Wechsel einer ehemals sesshaften Produktionsgemeinschaft zu einer nomadisierenden<br />
Konsum- und Freizeitgesellschaft inzwischen un<strong>über</strong>sehbare Spuren im sozialen und materiellen<br />
Umfeld hinterlassen hat.<br />
Um sowohl diese Spuren der Veränderungen als auch die seit <strong>über</strong> 20 Jahren erfolgten<br />
un<strong>über</strong>sehbaren Beiträge hin zur Erhaltung und Sicherung in den Dörfern aufnehmen<br />
und zur Darstellung bringen zu können, bedarf es neben dem erfahrenen Umgang mit<br />
der Mentalität der Dörfer und ihrer Bewohner eines verhältnismäßig hohen methodischen<br />
Aufwandes.<br />
2 Methodik und Vorgehen<br />
Ziel der Untersuchung war es, an 40 ausgewählten Fallstudien der Dorferneuerung – 32<br />
aus Niedersachsen und 8 aus Sachsen-Anhalt – die Nachwirkungen der Dorferneuerung<br />
<strong>über</strong> zwei aufeinander folgende Zeiträume – dem Zeitraum der eigentlichen Planungs- und<br />
Durchführungsphase der Dorferneuerung und dem der darauf folgenden Jahre bis 2004/05<br />
aufzuspüren.<br />
Durch die Verteilung der in der Osthälfte Niedersachsens liegenden Einzelorte von<br />
der Elbe bis zum Südharz ergab sich eine Art Nord-Süd-Profilschnitt durch <strong>über</strong>wiegend<br />
strukturschwache Regionen, wobei einzelne Dörfer aufgrund ihrer Standortkonzentrationen<br />
zu Dorfregionen zusammengefasst werden konnten.<br />
Entsprechend des verfolgten ganzheitlichen Arbeitsansatzes in der Dorferneuerungsarbeit<br />
war es nur konsequent, neben den materiellen Veränderungen – <strong>über</strong>wiegend durch<br />
umgesetzte Flurbereinigungs- und Dorferneuerungsmaßnahmen bewirkt – auch die immateriellen<br />
soziokulturellen Einflussgrößen in die Untersuchung einzubeziehen.<br />
Gemäß der Zielsetzung der Dorferneuerung nach einer umfassenden Bürgerbeteiligung,<br />
wurden sämtliche ehemaligen Beteiligten mittels acht getrennten Fragebogenaktionen