Berichte über Landwirtschaft - BMELV
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Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />
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Schwerpunktmäßig geht es um einen Klärungsversuch zukünftiger Standorte landwirtschaftlicher<br />
Betriebe bezogen auf deren Lage innerhalb der Ortskerne oder in der umgebenden<br />
Gemarkung. Damit wird die eingangs gestellte Frage nach der Standortsicherung<br />
landwirtschaftlicher Betriebe nochmals aufgenommen.<br />
Danach gehören die emittierende, durch Intensität, Art und Umfang gekennzeichnete<br />
Intensiv-Tierhaltung oder Landtechnik sowie geruchs- und lärmstörende Betriebe einfach<br />
nicht mehr in die Ortskernlagen. Diese sind als Lebens- und Wohnstandorte von Emissionen,<br />
störendem Durchgangsverkehr und von orts- und landschaftsfremden Architekturformen<br />
möglichst frei zu halten. Geeignete Standorte für emittierende Betriebe finden<br />
sich in den alten Bundesländern in der Nähe der bereist vorhandenen klassischen Aussiedlungen<br />
bzw. späteren Betriebszweigaussiedlungen und in den neuen Bundesländern dort,<br />
wo die ehemaligen LPG- / VEG – Komplexe noch auf ihre hoch- und siedlungsbauliche<br />
Sanierung warten.<br />
Die bereits 1978 gestellte Frage, ob das Dorf noch eine eigene Siedlungskategorie sei<br />
und ob es ausreiche, sich dabei allein auf die bauliche Struktur zu stützen oder ob nicht<br />
auch Sitte, Kultur, Verhaltensregeln und Werteordnung der Sozialstruktur einbezogen<br />
werden müssten, kann nach den Ergebnissen der Untersuchung nur mit „ja“ beantwortet<br />
werden.<br />
Das Land-(Dorf-)Leben hält eben auch heute noch ein Bewusstsein von einer qualitativ<br />
anderen Produktions- und Lebensform als die Stadt fest. Landleben liefert immer noch<br />
eine Utopie, die eine Ahnung von der Humanisierung der Natur und damit von einer Versöhnung<br />
von Stadt und Land vermitteln kann.<br />
Eine reine „Globalisierung“ und totale „Rationalisierung“ sind auch für das heutige<br />
Dorf weiterhin Entwicklungsvorgaben, die nicht seiner Entwicklung und kaum der Mentalität<br />
seiner Bewohner entsprechen.<br />
Der ländliche „Reserveraum“ wird auch in Zukunft ein durch regionale kulturelle und<br />
soziale Merkmale geprägter – zur Stadt als Markt kontrastierender – Lebens-, Freizeit-<br />
und Produktionsraum bleiben müssen.<br />
Wenn man ihm seine Identität und die bestehenden Wertevorstellungen und Produktionsbedingungen<br />
durch weitere Überfremdung nimmt, wird eine Kulturregion aufhören<br />
zu existieren, die durch ihre Leistungen, die Existenz von „Stadt“ und „Markt“ als den<br />
anderen Orten von Waren-, Kapital- und Informationsaustausch immer erst möglich gemacht<br />
hat.<br />
Dorf und Stadt sind schließlich die beiden Seiten einer Medaille, die für ein vielfältiges,<br />
unsere Kultur prägendes siedlungsstrukturelles und gesamtkulturelles Kontrastangebot<br />
stehen, in dem beide Standorte unterschiedliche Erfahrungen von Heimat vermitteln<br />
können.<br />
Zusammenfassung<br />
Aus dem historischen Standort Dorf ist nun endgültig die ländliche Siedlung geworden. Der Wechsel<br />
von einer ehemals sesshaften Produktions- zu einer nomadisierenden Konsumgesellschaft brachte<br />
auch den alten und neuen Dorfbewohnern eine Freiheitserfahrung, die natürlich nicht ohne Folgen<br />
für die Dörfer selbst bleiben konnte.<br />
Aber auch 20 Jahre Dorferneuerung haben in den ländlichen Regionen Spuren hinterlassen – sowohl<br />
im baulichen Umfeld des Dorfes als auch im Bewusstsein seiner Alt- und Neubewohner. Von<br />
den geschätzten 4200 dörflichen Siedlungen in Niedersachsen sind bereits 1900, also annähernd<br />
die Hälfte erneuert worden, zumindest in den Genuss einer ganzheitlichen Planung und Betreuung<br />
gekommen.<br />
Sichtbar wurde der hohe Komplexitätsgrad dörflicher Lebenswirklichkeiten, die in den vergangenen<br />
20 Jahren Dorferneuerungsförderung verstärkt dem Einfluss unterschiedlichster Rahmenbedingungen<br />
ausgesetzt waren.