Georg Britting Die Windhunde
Georg Britting Die Windhunde
Georg Britting Die Windhunde
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Zettel: »Zimmer zu vergeben« an die Haustür,<br />
und, wie die Katze auf die Maus, lauerte sie auf<br />
einen Mieter. Sie hatte Glück über Erwarten, denn<br />
schon ein paar Tage später konnte sie einen hochgewachsenen<br />
Herrn im hellen Reisemantel über<br />
die krächzende Stiege in den ersten Stock geleiten.<br />
Der nahm den Hut nicht ab im Zimmer, warf einen<br />
kurzen Blick aus dem Fenster, griff sich eine<br />
Blume aus dem blaubemalten irdenen Gefäß,<br />
steckte sie sich ins Knopfloch und während er<br />
sich prüfend in dem kleinen Spiegel betrachtete,<br />
sagte er: Gemietet! Dann lachte er ohne Grund<br />
schallend auf, sich immer noch im Spiegel musternd,<br />
drehte sich scharf um dann, schrie: Der<br />
Preis? und schlug die Witwe mächtig auf die<br />
Schulter, indem er sie belustigt anstarrte. <strong>Die</strong><br />
Witwe nannte ihn, sie nannte ihn zögernd und mit<br />
ein wenig schlechtem Gewissen, er schien ihr<br />
reichlich hoch, aber er erlegte ihn seelenruhig für<br />
eine Woche im voraus und ließ sich auch nicht<br />
herausgeben auf den Schein, mit dem er zahlte,<br />
obwohl der Rest den Betrag der Miete für weitere<br />
zehn Tage gedeckt hätte.<br />
Der Hochgewachsene war ein Deutsch-<br />
Amerikaner, hieß John Smith und sprach so gut<br />
und besser deutsch als mancher Berliner, der<br />
schnarrend sich nach dem Weg zur Bärenspitz<br />
erkundigte. <strong>Die</strong> Bärenspitz war ein hoher Berg,<br />
und wenn der Amerikaner aus seinem Zimmer<br />
den Arm streckte, konnte er ihn greifen, so dicht<br />
lag er vorm Fensterbrett: <strong>Die</strong> Tannen standen<br />
124