Georg Britting Die Windhunde
Georg Britting Die Windhunde
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Und als einmal, ein halbes Jahr nach ihrer<br />
Flucht, an einem braunen Septembernachmittag<br />
vor ihrem Verkaufspult eben der junge Mann<br />
stand, an dem sie damals im Haus am Strom nicht<br />
wie eine Bajadere, sondern wie eine blasse Nonne<br />
getan hatte - nun trug er eine Studentenmütze<br />
schlug sie ihm ein Stelldichein nicht ab.<br />
Sie ging auch zu dem Stelldichein, an einem<br />
Sonntagvormittag, und trug ein helles Kleid, ein<br />
hellvergißmeinnichtblaues Kleid, das zu bügeln<br />
und glatt und straffrauschend zu machen sie den<br />
ganzen Samstagabend verwandt hatte. Und als sie<br />
am Sonntagabend ihr kleines Zimmer wieder<br />
betrat und einen Tag hinter sich hatte, voll Sonne,<br />
mildheißer Septembersonne, und voll von Geruch<br />
von Heidekraut und Fichtenharz, und sich im<br />
Spiegel besah, und sah, daß das helle Kleid das<br />
hellvergißmeinnichtblaue Kleid, das glatt zu bügeln<br />
sie den ganzen Samstagabend verwandt hatte,<br />
verdrückt war, verfältelt, verrunzelt und waldmüde<br />
an ihr hing, da lächelte sie nur leise, ganz leise<br />
und ging schlafen. Sie sah ihn dann, den Studenten,<br />
noch öfter und sah ihn noch oft und lehnte<br />
den braunäugigen, braunhaarigen Kopf, den Kopf<br />
einer nun Fünfundzwanzigjährigen, an seine<br />
Schulter, an die Schulter des nun Neunzehnjährigen<br />
und wurde seine Freundin und blieb ein halbes<br />
Jahr lang seine Freundin, seine zärtliche Winterfreundin.<br />
Und als der Winter verging und das Frühjahr<br />
kam, mußte der Freund, dem Wunsch seiner El-<br />
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