Georg Britting Die Windhunde
Georg Britting Die Windhunde
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Einmal stürzte einer von uns ab, der verfolgt<br />
wurde, weil er Räuber war, und der den Gendarm<br />
schon dicht hinter sich hörte, stürzte von dem<br />
Steingang ab, der überdacht rund um den Dom<br />
läuft, stürzte drei Meter tief. Ich höre noch, wie er<br />
unten aufschlug auf dem Pflaster; zuerst der<br />
schwere Fall des Körpers, dumpf, und etwas später<br />
ein hellerer, hohler Ton. Ohne hinzusehen<br />
wußte ich: das war der Kopf! Der Räuber blieb<br />
bewußtlos liegen, der verfolgende Gendarm rannte<br />
davon, wohl schuldbewußt, obwohl er doch<br />
unschuldig war. Ich blieb, noch ein paar von uns<br />
blieben, der Abgestürzte rührte sich nicht, Blut<br />
war nicht zu sehen, kein Blut. Erwachsene kamen<br />
dazu, schimpften, wir sagten nichts. Ein Herr rief<br />
eine Pferdedroschke heran, und weil ich wußte,<br />
wo der Verunglückte wohnte, wurde ich zu dem<br />
immer noch Bewußtlosen in den Wagen gesetzt,<br />
und wir fuhren los. Ich saß zum erstenmal in meinem<br />
Leben, ich war sechs Jahre alt, in einem<br />
Fuhrwerk. Es war dunkel in der Droschke, es<br />
roch merkwürdig darin, nach Pferdedecken und<br />
Leder, es schaukelte, und ich fuhr stolz dahin. Ich<br />
kam mir wie ausgezeichnet vor, erhöht, belohnt,<br />
vom Schicksal ausgewählt. Der Abgestürzte lag<br />
bleich auf dem abgeschabten Lederpolster, der<br />
Wagen wackelte, wir wackelten mit, ich und der<br />
Ohnmächtige. Ich sah ihn nur hin und wieder an.<br />
Meist sah ich durch das Fenster auf die Straßen,<br />
wo die Leute vorbeigingen, von denen ich nur die<br />
Köpfe und die Oberkörper sah, und ich machte<br />
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