Georg Britting Die Windhunde
Georg Britting Die Windhunde
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denen Mädchengesichter sich neigten. <strong>Die</strong> brechenden<br />
Augen der Sterbenden sahen sie wie viele<br />
kreisende Monde um die Dächer sich drehen. Als<br />
zum drittenmale die Wagen der fünfzig auf den<br />
Platz donnerten, steigerte sich der Jubel der Menge<br />
ins Unermeßliche. Der vorderste der Karren<br />
wurde von einem stolpernden, räudigen Gaul gezogen,<br />
[der] aus eitrigen Augen glotzte. Neruda<br />
saß rücklings auf ihm, den mit Stroh durchflochtenen<br />
Schwanz des Tieres als Zügel in den gefesselten<br />
Händen. Er funkelte mit heißen Augen in<br />
die Reihen der lachenden Leute. Als ihm einer ein<br />
Schimpfwort zuwarf, schüttete er eine trübe Flut<br />
gräßlicher und gemeiner Flüche auf seinen Widersacher,<br />
der den Kopf einzog wie vor stinkendem<br />
Spülwasser. Als die Welle der nächsten fünfzig<br />
sich an Galgen zerbrochen hatte zu zitternden<br />
Tropfen, trat eine Pause ein im Ablauf des Festes,<br />
weil Schauspieler und Tänzer, Flötenbläser und<br />
Paukenschläger, Zauberer und Messerschlucker<br />
sich zeigten. Ein braunes Mädchen, mit durchsichtiger<br />
roter Seide bekleidet, tanzte vor dem<br />
König. Sie war wie eine Mohnblume, die sich im<br />
Winde der Flöten wiegt. Eine züngelnde Flamme,<br />
die auf dem prasselnden Kalbfell der Trommeln<br />
wirbelt. Mit einem hellen Schrei, der den König<br />
wie ein dünner Dolchstoß traf, sank sie in sich<br />
zusammen und blieb liegen wie ein Häuflein<br />
Asche, aus dem das rote Feuer des Gewandes<br />
noch glimmte. Man trug sie weg, während Trompetenstöße<br />
kündeten, daß die Hinrichtungen ih-<br />
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