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Empirischer Teil<br />
Vor allem, wenn Eltern mit dem Alltagsgeschäft stark gefordert oder überfordert sind,<br />
gelingt es ihnen nicht immer, die Prioritäten zwischen der Befriedigung der physischen<br />
Bedürfnisse des Kindes und der emotionalen Zuwendung zu ihm adäquat zu setzen.<br />
Die Anforderungen der Gesellschaft verursachen bei ihnen so viel Stress, dass ihre<br />
Ressourcen nicht mehr ausreichen, eine genügende Bindung zum Kind herzustellen.<br />
58<br />
E 2: „Die Mutter ist oft sehr beschäftigt – sie will es ja besonders gut machen.<br />
Das heisst zum Beispiel auch, dass das Kind auf dem Sofa und nicht in den<br />
Armen der Mutter liegt, wenn es krank ist.“<br />
E 3: „Die Eltern spüren nicht immer, was jetzt im dem Moment das Richtige für<br />
das Kind ist.“<br />
E 6: „Da die Eltern sich der Wichtigkeit [von Nähe und Distanz] nicht bewusst<br />
sind, können sie sie nicht bewusst steuern, reflektieren, einsetzen. So sind sie<br />
bei jüngeren Kindern eher auf das Alltagspraktische fixiert und die körperliche<br />
Nähe wird eher vernachlässigt – wird irgendwie aus dem Auge verloren.“<br />
Von den Fachpersonen wird häufig die Vermutung geäussert, dass Mütter ihr eigenes<br />
Bedürfnis nach Nähe stark ausleben und die Reaktionen der Kinder auf diese<br />
Nähe nicht wahrnehmen, differenzieren und interpretieren können. Zudem bergen<br />
gerade Beziehungen mit wenig ausserfamiliären Kontakten – dies betrifft vor<br />
allem das Vorschulalter – die Gefahr, dass sich symbiotische 5 Verhältnisse ergeben.<br />
E 12: „Tragen die Eltern das Kind umher, weil es das Bedürfnis des Kindes ist?<br />
Oder ist es ihr eigenes Bedürfnis? Können sie unterscheiden zwischen ihren<br />
eigenen Bedürfnissen und denen der Kinder? Da habe ich so meine Zweifel.“<br />
E 2: „Entweder wusste sie nicht, wann das Kind Nähe braucht, oder sie er-<br />
drückte das Kind fast, wenn sie selbst Nähe brauchte. (…) Bezüglich ‚sChind<br />
hebe’ befriedigte sie eher ihr eigenes Bedürfnis, denn jenes des Kindes.“<br />
Eine Herausforderung scheint für die Eltern auch zu sein, wenn die Kinder mit zuneh-<br />
mendem Alter ihre körperliche Nähe zurückweisen. Sie empfinden dies als Ablehnung<br />
ihrer Person und versuchen vielleicht auch deshalb, ihre Kinder „klein zu halten“.<br />
E 2: „Viele Eltern fühlen sich auch oft vom Kind in ihren Fähigkeiten persönlich<br />
angezweifelt und zurückgewiesen; zum Beispiel wenn das Kind nicht mehr<br />
auf den Schoss will oder widerspricht, oder trotzt. Das macht den Eltern Angst –<br />
Angst davor, dass ihr Kind sie nicht mehr gerne hat.“<br />
5 Symbiose: dauerndes, enges Zusammenleben zweier Lebewesen zum gegenseitigen Nutzen (Duden,<br />
Fremdwörterbuch, 1990, S. 757).