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Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...

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Ludwig Fischer Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich gar nicht wollen<br />

den Menschen auf der ganzen Erde so ergehen könnte wie se<strong>in</strong>erzeit den Bewohnern der<br />

Oster<strong>in</strong>sel. 3<br />

Nun schließt sich an den erwähnten E<strong>in</strong>wurf leicht e<strong>in</strong> zweiter an: Die Frage nach den Wirk‐<br />

kräften <strong>in</strong> der Verfertigung von Kulturlandschaften sei heute völlig anders zu stellen, weil<br />

sich doch gerade die Anteile gezielter, planerisch vorbestimmter Veränderungen <strong>in</strong> der Land‐<br />

schaft gegenüber den Effekten nicht <strong>in</strong>tendierten <strong>Wandel</strong>s beträchtlich verschoben hätten.<br />

Inzwischen würden <strong>in</strong> großem Umfang <strong>Landschaften</strong> mit hohem Forschungs‐ und Planungs‐<br />

aufwand umgestaltet, nicht nur bei den großräumigen Projekten der Tagebau‐Folgeland‐<br />

schaften und längst nicht mehr nur bei den ausgreifenden Vorhaben zur Gestaltung von Bal‐<br />

lungszentren. Etwa die Raum‐ und Infrastrukturplanung, von der lokalen bis zur nationalen<br />

Ebene, ja gelegentlich über sie h<strong>in</strong>aus, schaffe e<strong>in</strong> fast schon als Ganzes durchgearbeitetes Ge‐<br />

füge von Landschaftselementen und Landschaftstypen. Dadurch werde auch den ke<strong>in</strong>eswegs<br />

aufgehobenen ‚Kräften des Marktes‘ e<strong>in</strong> so genau def<strong>in</strong>ierter Rahmen vorgegeben, dass von<br />

e<strong>in</strong>er ungewollten Erzeugung der Kulturlandschaften als Nebenprodukt gesellschaftlich or‐<br />

ganisierter Arbeit nicht mehr gesprochen werden könne. Inzwischen sei zudem das Netz ei‐<br />

ner behördlichen Kontroll‐ und Genehmigungstätigkeit so eng geknüpft, dass e<strong>in</strong>e gewisser‐<br />

maßen wildwüchsige Überformung von <strong>Landschaften</strong> gar nicht mehr ‚e<strong>in</strong>fach so‘, durch<br />

unbeabsichtigte Auswirkungen vor allem wirtschaftlicher Aktivitäten, sich e<strong>in</strong>stellen könne.<br />

Auch dieser E<strong>in</strong>wurf trifft auf den ersten Blick zu, selbst wenn man sich darüber streiten<br />

kann, wie quantitativ das Verhältnis von geplanter Landschaftsformung und ungesteuerter<br />

Landschaftsveränderung zu veranschlagen sei und wie viel an den geplanten Kulturland‐<br />

schaften dann faktisch ‚gewollt‘ und wie viel an denn doch ungewollten Effekten zu konsta‐<br />

tieren sei. 4 Die mit dem Titel lancierte Behauptung, „Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir ei‐<br />

gentlich gar nicht wollen“, sche<strong>in</strong>t aber mit dem E<strong>in</strong>wurf, zum<strong>in</strong>dest als pauschalisierte<br />

Aussage, erledigt.<br />

Ich will den gerade von Planern zu erwartenden E<strong>in</strong>wand gar nicht entkräften, <strong>in</strong>dem ich auf<br />

das Primat wirtschaftlicher Imperative auch noch für staatlich veranlasste Landschaftspla‐<br />

nung verweise. Es wäre ja e<strong>in</strong> Leichtes zu belegen, dass der allergrößte Teil der Infrastruktur‐<br />

Planung seitens der öffentlichen Hand, ebenso der Allokationspolitik und der Raumplanung,<br />

lediglich Anpassungsleistungen an die vom ‚Markt‘ erzeugten Erfordernisse erbr<strong>in</strong>gt. Der<br />

Anteil wirklich ‚freier‘, von wirtschaftlichen ‚Sachzwängen‘ abgekoppelter Raum‐ und Land‐<br />

schaftsplanung am gesamten Planungsaufwand ist verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>g.<br />

Wieder muss man <strong>in</strong> der Problemlage e<strong>in</strong> wenig tiefer graben, um den Dilemmata unseres<br />

Umgangs mit <strong>Landschaften</strong> auf die Spur zu kommen. Und erneut fange ich bei der eigenen<br />

Beobachtung an, die dieses Mal e<strong>in</strong>ige Zeit zurück liegt. Sechzehn Jahre lang habe ich an der<br />

Nordseeküste gelebt und dort die Frühphase der W<strong>in</strong>denergie‐Nutzung vor Augen gehabt <strong>–</strong><br />

vere<strong>in</strong>zelte, kle<strong>in</strong>ere Rotoren <strong>in</strong> der flachen Landschaft, e<strong>in</strong>er auch wenige hundert Meter von<br />

unserem Hof. Komme ich heute e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> die vertrauten Gegenden zurück, sehe ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>i‐<br />

gen Gebieten e<strong>in</strong>e völlig veränderte Küstenlandschaft: Große Teile etwa Norderdithmarschens<br />

und Nordfrieslands haben sich zu Industrielandschaften gewandelt, <strong>in</strong> denen auch nach dem<br />

3 Dazu Harald Welzer: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. Frankfurt/M.: S. Fischer<br />

2008.<br />

4 Illustrativ wird die Problemlage zum Beispiel bei der Steuerung des ‚Flächenverbrauchs‘ greifbar <strong>–</strong><br />

vgl. nur Christian Küpfer: Fläche<strong>in</strong>anspruchnahme durch Siedlung und Verkehr <strong>in</strong> Wachstums- und<br />

Schrumpfungsregionen. In: Bernd Demuth u. a. (Bearb.): <strong>Landschaften</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>2030</strong> <strong>–</strong> Der<br />

stille <strong>Wandel</strong>. Bonn <strong>–</strong> Bad Godesberg: BfN 2011 (BfN-Skripten 303), S. 27<strong>–</strong>36.<br />

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